Heinz Günzelsen ist sauer. Sehr sauer.
Der vor sieben Monaten für müshsam angesparte 13.000,00 € beim Gebrauchtwagenhändler erstandene Golf steht in brütender Sommerhitze  mit gerissenem Zahnriemen auf dem Standstreifen der A7. Dabei hat Herr Günzelsen seit her gerade mal 10.000 km mit dem Wagen zurückgelegt, er fährt nur gelegentlich auf Besuch zu Tante Käthe zum Seniorenstift “zur goldenen Urne” in Hannover und zwei Mal die Woche zu Aldi (wo er neulich ein  Navigationsgerät im Sonderangebot erstanden hat).
Wutentbrannt greift Herr Günzelsen zum Telefon um den Gebrauchtwagenhändler davon in Kenntnis zu setzen, dass der Wagen schrott sei und der Händler das gefälltigst “auf Garantie” zu reparieren habe. Der Händler zeigt sich hilfsbereit und bietet an, das Fahrzeug zunächst in seine Werkstatt einzuschleppen um sich ein Bild der Lage machen zu können. Auf Nachfrage, wo das Auto denn genau stünde kann Herr Günzelsen keine präzise Angabe machen, denn das jüngst nagelneu erworbene Navigationsgerät reagiert urplötzlich auf keine Eingabe mehr so dass sich Herr Günzelsen auf die Angabe: “Autobahn 7, irgendwo zwischen dem Rasthof Hildesheimer Börde und einer Autbahnbrücke mit hässlichem Graffitti drauf” beschränken muß.

Nach endlosen 43 Minuten des Wartens, in denen das Graffitti auf der Brücke nicht schöner geworden ist und sich auch das Navi trotz der üblichen Stammtischmaßnahmen wie dem Herausnehmen der Batterie, dem Verkehrtherumanschließen des Ladekabels und der Geheimtastenkombination aus der Computer-Bild nicht zum Leben erwecken lassen hat trifft endlich der Abschleppwagen ein. Während der Wagen noch an der Seilwinde auf den LKW gezogen wird und die eigens für Tante Käthe beschaffte Käse-Sahnetorne auf dem Beifahrersitz hitzebedingt vom festen in den flüssigen Aggregatzustand übergeht beschließt Herrn Günzelsen, bei dieser Gelegenheit die schon ziemlich abgefahrenen Bremsbeläge zu reklamieren. Hatte er sowieso vor. Und der Verkäuferin bei Aldi würde er gleich Montag das Letzte zu erst erzählen.

Dieses -zugegeben- etwas überspitzte Szenario kommt so (oder so ähnlich) recht häufig vor. Die Begriffe Garantie und Gewährleistung werden immer mal wieder gern durcheinander geworfen, der Begriff Sachmängelhaftung ist vielen unbekannt, daher bringe ich an dieser Stelle einmal etwas Licht in die Sache. Wir alle haben die Begriffe

Garantie / Gewährleistung / Sachmängelhaftung

schon einmal gehört. Doch was bedeuten die Begriffe eigentlich genau, was habe ich wann und was gibt es gar nicht?

Garantie:
Die Garantie ist eine freiwillige Leistung eines Herstellers. Zeit und Umfang der Garantie kann der Hersteller beliebig gestalten. Es ist durchaus üblich, daß Teile eines Produktes komplett von der Garantie ausgenommen sind (z.B. Verschleissteile) oder unterschiedliche Garantiezeiten für einzelne Bauteile festgelegt werden. Ebenso kann der Hersteller entsprechende Bedingungen und Ausschlüsse festlegen. Hier kommt es also darauf an, sehr genau die jeweilgen Garantiebestimmungen zu studieren. In der Praxis sind das die vielbeschworenen Gebrauchtwagengarantien die bei Kauf eines Gebrauchtwagens sozusagen “zugebucht” werden können. Hierbei handelt es sich de facto um nicht mehr oder weniger als eine Reparaturkostenversicherung, diese Versicherung wird über den Händler abgeschlossen. Was sie abdeckt und was nicht ist in den Garantiebedingungen haarklein aufgelistet.
Hier gilt also die Faustregel: Die Gebrauchtwagengarantie leistet NUR das, was auch in den Garantiebedingungen aufgelistet ist. Keinen Deut mehr, aber gerne weniger.

Beispiel: Abgedeckt sind die unteren Querlenker der Vorderachse, die oberen sind nicht aufgeführt. Gehen die oberen Lenker kaputt, wird die Versicherung nicht leisten, auch wenn die Bauteile nur 30cm auseinanderliegen.

Gewährleistung / Sachmängelhaftung:
Den alten Begriff der Gewährleistung sieht das entsprechende Gesetz – das Bürgerliche Gesetzbuch (BGB) – seit 2002 (Novellierung des Schuldrechtes) so nicht mehr vor, vielmehr spricht man nun von der Sachmängelhaftung. Merke: Es gibt keine Gewährleistung mehr, außer im Volksmund.

Zur Sachmängelhaftung ist ein Händler/Verkäufer gegenüber einem Verbraucher verpflichtet. Er kann sie nicht vertraglich ausschließen. Anders ist es bei einer “Person … , die bei Abschluss eines Rechtsgeschäfts in Ausübung ihrer gewerblichen oder selbständigen beruflichen Tätigkeit handelt” (§ 14 BGB). Kurz: Ist der Kunde Gewerbetreibender, kann die Sachmängelhaftung vertraglich ausgeschlossen werden. Verkauft ein Gewerbetreibender seinen PKW, steckt er u.U. seinerseits in der Haftung für Sachmängel, hier ist also Vorsicht geboten. Beispiel: Verkauft also der selbstständige Inhaber eines Bio-Yogiteeladens sein Fahrzeug, steckt er erst einmal in der Sachmängelhaftung für das Fahrzeug, auch wenn er Nichtfachmann ist.

Juristen gehen übrigens davon aus das ab einem Fahrzeugalter von mehr als 5 – 6 Jahren die Beiweislastumkehr nicht mehr zu gelten hat, “da es mit der Art der Sache” nicht vereinbar ist.
(§476 BGB)

Sachmängelhaftung kann dann in Anspruch genommen werden, wenn eine Sache einen Mangel hat, der bereits vor dem Kauf angelegt oder vorhanden ist.

Die Sachmängelhaftung sieht zwei Stufen vor:

Stufe 1: Nacherfüllung entweder in Form der Nachbesserung (Reparatur) oder Nachlieferung (Austausch) – die Wahl obliegt dem Kunden, es sei denn, die Kosten wären für den Verkäufer unverhältnismäßig.

Schlägt die Nacherfüllung fehl, bleiben

Stufe 2: Rücktritt oder Minderung

Das Ganze gilt für den gesamten Zeitraum der Sachmängelhaftung von 2 Jahren, jedoch erfolgt nach den ersten 6 Monaten eine Beweislastumkehr, d.h. ab dann muß der Kunde nachweisen, daß der Mangel bereits beim Kauf vorhanden war. Bis dahin muß der Verkäufer nachweisen, daß die Ware beim Kauf mängelfrei war. Es besteht die Möglichkeit, den Zeitraum von 2 Jahren auf ein Jahr zu verkürzen, dies muß aber im Kaufvertrag separat festgehalten werden.

Zu Stufe 1: Nacherfüllung
Der Käufer muss dem Verkäufer Gelegenheit geben zu untersuchen, ob überhaupt ein Mangel besteht und ob, wenn ja, eine verlangte Nachlieferung unverhältnismäßig wäre, so ausdrücklich in einer neuen Entscheidung jetzt auch der BGH.

Das aber heißt, der Verkäufer darf verlangen, das Fahrzeug bei ihm bzw. einer Werkstatt seiner Wahl vorzustellen um sich ein Bild der Lage machen zu können.

Zu Stufe 2, Rücktritt:
§346 I BGB: “Hat sich eine Vertragspartei vertraglich den Rücktritt vorbehalten oder steht ihr ein gesetzliches Rücktrittsrecht zu [das wäre der Fall beim Mangel], so sind im Falle des Rücktritts die empfangenen Leistungen zurückzugewähren (…).”
Das bedeutet, es müssen die gleichen Verhältnisse wieder hergestellt werden, wie sie vor dem Vertragsschluss geherrscht haben. Das Auto und das Geld muss jeweils zurückgegeben werden, um so die frühere Rechtsposition wieder herzustellen. Ein Gutschein oder eine Gutschrift schränkt aber im Gegensatz zu Geld den Vertragspartner ein, d.h. seine Rechtsposition würde verschlechtert werden. Ein Gutschein oder ein Gutschrift muß daher nicht akzeptiert werden.

Was bedeutet das nun alles für unseren unglücklichen Herrn Günzelsen?
Das Navigationsgerät hat Herr Günzelsen bei Aldi neu und mit zweijähriger Herstellergarantie gekauft. In den Garantiebedingungen ist großzügigerweise festgehalten, dass im Defektfall ein Vorabtausch des Geräts erfolgt. Herr Günzelsen bekommt also direkt ein anderes Gerät im Tausch und muß das Navi nicht einschicken, hat also keine Wartezeit. Sein Kumpel aus dem Skatclub hatte da weniger Glück. Der hat in einem Elektronikgroßmarkt ein anderes Modell gekauft, bei dem sahen die Garantiebedingungen vor, dass das Gerät zur Prüfung an den Hersteller einzusenden sei.
Doch wie geht es mit dem kaputten Golf weiter? Nach kurzer Prüfung des Motors kommt der Werkstattmeister des Händlers zu dem Ergebnis, dass durch den Zahnriemenriss ein neuer Zylinderkopf erforderlich geworden ist. Die Reparatur würde summa summarum 2.500,00 € kosten.
Da der Händler der Meinung ist, den Riss des Zahnriemens nicht habe voraussehen können und bei Fahrzeugübergabe ja “alles in Ordnung” gewesen sei und immerhin sei der Kauf ja sieben Monate her,  müsse Herr Günzelsen in den sauren Apfel beißen und die Reparatur aus eigener Tasche zahlen.

Dem Herzinfarkt nahe verlässt Herr Günzelsen die Werkstatt und telefoniert umgehend mit seinem Rechtsanwalt. Nach dem Austausch einiger unfreundlicher Korrespondenz zwischen Werkstatt und Kanzlei lässt sich außergerichtlich keine Einigung erwirken, die Sache landet also vor Gericht. Der Anwalt lässt das Fahrzeug von einem Sachverständigen begutachten und die Sache nimmt für Herrn Günzelsen doch noch eine gute Wendung.
Der Sachverständige stellt fest, dass der Wartungsintervall für den Austausch des Zahnriemens schon beim Kauf um 15.000 km überzogen war und der Riemen schon übermäßig abgenutzt und dünn war. Da Herr Günzelsen seit Kauf  nur 10.000 km zurückgelegt hat, ist es technisch ausgeschlossen, dass dieser Verschleisszustand in dem Zeitraum eingetreten ist, in dem Herr Günzelsen das Fahrzeug gefahren hat. Der Anwalt kann nun also vor Gericht glaubhaft darlegen, dass der Sachmangel (nämlich der verschlissene Zahnriemen) schon beim Kauf (jur. “Gefahrenübergang”) vorhanden war und es ergeht ein Urteil zu Gunsten des Herrn Günzelsen.

Wichtig: Dieses -ebenfalls absichtlich- ins Extrem geführte Beispiel soll nicht außen vor lassen, dass Herr Günzelsen VOR  Ablauf von sechs Monaten per Definition nicht in der Beweispflicht gewesen wäre. Es gälte dann die bereits angesprochene Beweislastumkehr – der Händler hätte also beweisen müssen, dass der Mangel bei Gefahrenübergang noch NICHT vorhanden war. Dies kann er in der Regel nicht, also wird pauschal abgelehnt und verweigert, frei nach dem Motto: “Verklag´ mich doch!”
Und was war mit den Bremsbelägen? Hier handelt es sich um Verschleissteile, die NICHT unter die Sachmängelhaftung fallen.