Festsetzungsfrist
Fragestellung
Sehr geehrter Herr Joachim,
ich möchte Ihnen kurz in stickpunktartiger Form mein Problem darlegen und freue mich, wenn Sie mir auf diesem Wege bei einer Lösung helfen können.
Betr. ESt Erklärung für 2008
22.09.09 Abgabe
Beginn Festsetzungsfrist 31.12.09, regulärer Ablauf 31.12.13
02.12.09 Festsetzung
Vorbehalt der Nachprüfung,
teilweise vorläufig in ... (entsprechend damaliger Vorläufigkeitsliste im Internet)
20.02.10 Festsetzung (Arbeitnehmersparzulage)
Vorbehalt der Nachprüfung besteht weiter,
teilweise vorläufig in ... s.o.
23.03.10 Festsetzung (Einkünfte Kapitalvermögen)
Vorbehalt der Nachprüfung aufgehoben,
teilweise vorläufig in ... s.o.
23.08.10 Festsetzung
Erstattung, Änderungsgrund: Grundlagenbescheid vom FA München (keine Datumsangabe)
teilweise vorläufig in ... s.o.
17.10.14 Festsetzung
Forderung, Änderungsgrund: Grundlagenbescheid vom FA München vom 10.09.14
teilweise vorläufig in ... (entsprechend aktueller Vorläufigkeitsliste im Internet)
23.10.14 Einspruch gegen Festsetzung vom 17.10.14
Begründung: Festsetzungsfrist war bereits vor Grundlagenbescheid abgelaufen.
28.10.14 Einspruch vom 23.10.14 von FA abgelehnt.
Begründung: Trotz Bestätigung des grundsätzlichen Endes der Festsetzungsfrist am 31.12.13, 12:00 Uhr gilt Ablaufhemmung nach §171 Abs.10 Satz 1 AO.
Meine Sicht dazu:
§169 Abs. 1 Satz 1 AO erklärt die Festsetzung, Aufhebung oder Änderung einer Steuer nach Ablauf der Festsetzungsfrist ohne Einschränkungen für nicht mehr zulässig.
§171 Abs.10 Satz 1 AO beginnt mit „Soweit für die Festsetzung einer Steuer...“ und bezieht sich im Folgenden damit auf einen Verwaltungsakt, der nach §169 Abs. 1 Satz 1 AO nach abgelaufener Festsetzungsfrist nicht mehr zulässig ist.
§171 behandelt in allen Absätzen die sog. Ablaufhemmung.
Ein Ablauf eines Vorganges (in diesem Fall der Festsetzungsfrist) kann nur gehemmt werden, wenn er noch läuft. Ansonsten wäre es keine Hemmung, sondern eine nachträgliche Aufhebung des Ablaufes.
Sollte die Auffassung des FA zutreffend sein, wäre es aus meiner Sicht möglich, jede Steuerfestsetzung bis auf unbestimmte Zeit im Widerspruch zu § 169 Abs. 1 Satz 1 AO durch einen Grundlagenbescheid zu ändern oder aufzuheben.
Liege ich in meiner Auffassung falsch oder sollte ich meinen Widerspruch aufrecht erhalten?
Wenn ja, mit welcher Argumentation?
Bitte teilen Sie mir mit, ob Sie für eine Beurteilung des Falles noch weitere Informationen / Unterlagen benötigen.
Mit freundlichen Grüßen
Jürgen Schnepel
Hinweis: Die Frage und Antwort wurde anonymisiert und mit Erlaubnis des Kunden veröffentlicht. Ihre eigene Frage wird standardmäßig nicht veröffentlicht.
Antwort von Rechtsanwalt und Mediator Christian Joachim
Sehr geehrter Fragesteller, nunmehr darf ich ihre Frage beantworten.
soweit ich die entsprechenden Daten nachvollziehen konnte, dürfte es darauf ankommen, so die Auffassung des Finanzamtes, dass so lange ein Grundlagenbescheid noch nicht ergangen ist, die Festsetzungsfrist nicht vor Ablauf von zwei Jahren nach Bekanntgabe des Grundlagenbescheids endet. Dies ist auch Inhalt des § 171 Abs. 10 Satz 1 Abgabenordnung, auf den sich das Finanzamt beruft.
Insofern würde ich nach der gesetzlichen Grundlage des § 171 Abs. 10 Satz 1 AO dem Finanzamt Recht geben, da zwar der § 171 AO insgesamt auf die Ablaufhemmung gerichtet ist, diese allerdings die entsprechende Festsetzungsfrist betrifft, was sodann auch in den unterschiedlichen Absätzen des § dargestellt wird.
Die Festsetzungsfrist selbst ist dann richtigerweise in § 169 dargestellt. In § 171 AO ist allerdings eben im Rahmen der Ablaufhemmung eine Spezialregelung vorhanden, die diese Festsetzungsfrist in § 169 allerdings betrifft. Diese beträgt grundsätzlich vier Jahre, ist allerdings durch die Regelung des § 171 AO eingeschränkt, wonach es darauf ankommt, ob ein entsprechender Grundlagenbescheid für die Festsetzung der Steuer bindend ist. Dann ist eine speziellere Regelung hinsichtlich der Bekanntgabe des Grundlagenbescheids und zwar zwei Jahre nach Bekanntgabe des Grundlagenbescheids im Rahmen der Ablaufhemmung gegeben.
Ihren Einwand, dass somit die Festsetzungsfrist insgesamt ausgehebelt wird, kann ich aber grundsätzlich nachvollziehen.
Bei Grundlagenbescheiden ressortfremder Behörden ist die Regelung (§ 171 Abs. 10 AO) lückenhaft und aufgrund einer teleologischen Reduktion einschränkend dahin auszulegen, dass die Ablaufhemmung voraussetzt, dass der Grundlagenbescheid noch vor dem Ablauf der Festsetzungsfrist für die Steuer, für die der Grundlagenbescheid bindend ist, bekanntgegeben wird.
Dies hat u.a. der BFH 2013 entschieden:
BFH, Urteil v. 21.2.1013, V R 27/11, veröffentlicht am 22.5.2013
Hier müsste man ggf. auch prüfen, aus welcher Sphäre der Grundlagenbescheid resultiert.
Wenn man dieser Auffassung folgt und sich sodann die Fristen innerhalb ihrer Aufstellung anschaut, so ist der erste Grundlagenbescheid in 2010 ergangen, wobei hier ein konkretes Datum nicht angegeben wird, was man allerdings gegebenenfalls in den Akten des Finanzamtes nachvollziehen kann.
Wenn man hier sodann davon ausgeht, dass dieser Grundlagenbescheid maximal zwei Jahre nach Bekanntgabe die Festsetzungsfrist hinaus schiebt, so wäre auch hinsichtlich der Festsetzungsfrist insgesamt Ende des Jahres 2013 dieser Grundlagenbescheid nicht von Bedeutung, so dass der zweite Grundlagenbescheid aus dem Jahr 2014 hier nach meiner Auffassung keine Wirkung mehr erzielen kann, da die Festsetzungsfrist insgesamt abgelaufen gewesen ist.
Dies dürfte zumindest nach der Rechtsprechung des BFH für resortfremde Grundlagenbescheide gelten.
Es kommt sodann gegebenenfalls darauf an, was durch den Grundlagenbescheid geändert worden ist, und ob ein Folgebescheid erteilt worden ist.
Zudem ist zu beachten, dass zwar eine Änderung des Folgebescheids erst zwei Jahre nach Bekanntgabe des Grundlagenbescheids verjährt. Diese Fristverlängerung für die Änderung des Folgebescheids gilt aber nur für Korrekturen, die sich aus dem Grundlagenbescheid ergeben.
Insgesamt sehe ich nach dem oben genannten einige Ansatzpunkte dafür, dass hier die Festsetzungsfrist bereits verstrichen ist. Sie sollten die Unterlagen hier nochmals gegebenenfalls durch einen Rechtsanwalt, der im Steuerrecht spezialisiert ist, prüfen lassen und gegebenenfalls fristwahrend Klage ein reichen (ein Monat nach Zugang des Bescheides über den Einspruch).
Gerne stehe ich Ihnen weiterhin zur Verfügung und hoffe, dass ich ihre Fragen zunächst hilfreich beantwortet habe.
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