Vertragsrecht - Kein Vertrag geschlossen für Nachhilfe
Fragestellung
Guten Morgen Herr Pieperjohanns,
Sachverhalt:
Unser Sohn (16) besucht seit November 2017 ein Lernzentrum um Nachhilfe in Mathematik zu erhalten. Er nimmt hier an einer wöchentlichen Gruppenstunde teil. Die Kosten hierfür belaufen sich auf 75 Euro pro Monat.
Ich habe unseren Sohn bei den ersten beiden Stunden begleitet um eventuell organisatorische Angelegenheiten und die Bezahlung zu klären. Die erste Stunde war eine Schnupperstunde und anschließend war dann zu klären ob unser Sohn and einer der Gruppenstunden oder an Einzelunterricht teilnimmt. Es wurde dann vereinbart, das Conor an der Gruppenstunde teilnimmt und der Betrag von EUR 75 per Lastschrift abgebucht werden soll.
Da ich unter der Woche in Luxembourg lebe und arbeite habe ich anschliessend den Vorgang nicht weiter verfolgt und war der Meinung das alles geregelt ist, da mein Sohn regelmässig am Unterricht teilnahm und auch von dem Lernzentrum keinerlei negative Rückmeldung kam.
Darüber hinaus hatte ich das Lernzentrum im Mai 2018 kontaktiert um in Erfahrung zu bringen ob Ich unseren Sohn für die Zeit der Sommerferien abmelden und anschliessend wieder anmelden solle.
Lange Rede kurzer Sinn, das Lernzentrum hat mich jetzt telefonisch kontaktiert und mir mitgeteilt, das seit November 2017 keine Kursgebühr bezahlt wurde, da man keinen unterschriebenen Vertrag von mir vorliegen hätte und nun ein Betrag von EUR 705 meinerseits fällig wäre.
Laut Lernzentrum hätte man meinem Sohn seinerzeit ein Vertragsformular ausgehändigt, was mein Sohn bestreitet und ich ebenfalls anzweifle. Man hat mich gefragt, warum es mir nie aufgefallen sei, das keine Gebührenlastschrift erfolgt sei...
Das Lernzentrum möchte nun, das ich einen Betrag von EUR 500 zahle, da man eine gewisse Mitschuld einräumt.
Wie ist hier die Rechtslage, bin ich verpflichtet dieser Forderung nachzukommen und wenn ja zu welchem Prozentsatz der Gesamtsumme?
Mit freundlichen Grüssen,
Hinweis: Die Frage und Antwort wurde anonymisiert und mit Erlaubnis des Kunden veröffentlicht. Ihre eigene Frage wird standardmäßig nicht veröffentlicht.
Antwort von Rechtsanwalt Stefan Pieperjohanns
Sehr geehrte Kundin,
haben Sie zunächst vielen dank für den Auftrag. Ich sehe Sie leider in der Verpflichtung zu zahlen.
Der Vertragsschluß zwischen Ihnen und der Nachhilfeeinrichtung ist zwar nicht schriftlich dokumentiert, wie es am besten wäre, aber das bedeutet nicht, dass Sie keinen Vertrag haben. Denn das Gesetz geht außer in den Fällen des zwingenden Schriftformerfordernisses (Grundstücksgeschäfte zum Beispiel) nicht von einem generellen Zwang aus.
Es reicht also, wenn Sie sich mit der Schule über die Grundlagen geeinigt haben, also was soll geliefert werden (Nachhilfestunden in der Gruppe) zu welchem Preis (75,00 € pro Monat) und wer ist Berechjtigter (Ihr Sohn vertreten durch Sie). Was genau das für ein Vertrag ist, ob Unterrichtsvertrag mit individuellen Lehrern (dann Dienstvertrag) oder ein Auftrag zur Verschaffung von Dienstleistungen ist dabei grundsätzlich egal.
Sie haben zudem den Vertrag auch gelebt. Ihr Sohn ist zur Gruppennachhilfe gegangen, Sie haben mit der Nachhilfe über Zahlungsmodalitäten und Aussetzung in den Feriein verhandelt. Nur Geld wurde eben nicht eingezogen.
Das ist aber wiederum nicht zwingend notwendig. Der Gläubiger kann auf die Geltendmachung einstweilen verzichten, ohne das er den Anspruch an sich verliert. Bis irgendwann Verjährung eintritt, was hier nicht der Fall ist.
Das Angebot, Sie könnten gegen 500,00 € die Sache begradigen, ist also ein ernsthaftes Entgegenkommen Ihres Gläubigers. Er könnte tatsächlich die Kosten für die vergangenen zehn Monate also 750,00 € zuzüglich Zinsen verlangen.
Das ist die Grundsituation nach Ihrem Vortrag.
Wenn Sie allerdings auf die weitere Nachhilfe verzichten wollen und Ihren Dienstleister auf 0,00 € bringen wollen, müsste ich nachprüfen, ob und wenn ja welche AGB der Dienstleister hat und ob dort etwa die Modalitäten des Vertragsschlusses (schriftlich, nur auf Bestätigung) geregelt wurden und in welcher Höhe etwa Schadensersatzansprüche Ihres Vertragspartners wegen ungerechtfertigter Bereicherung (Sie haben Leistungen in Anspruch genommen, die Ihnen ohne Vertrag nicht zustanden) bestehen. Das ist ein risikoreicher Weg, der am Ende aber zu einer Einigung unterhalb von 500,00 € oder sogar zu einem Verzicht führen kann. Da hierzu möglicherweise ein Prozess zu führen wäre oder gegen eine Zahlungsklage verteidigt werden müsste, sind die Chancen nicht vollständig prognostizierbar. Angesichts meines dann anfallenden Honorars sollten Sie eine Nutzen-/Kostenabwägung vornehmen. Eine Rechtsschutzversicherung ist dabei hilfreich, hat meist jedoch einen Selbstbehalt.
Rufen Sie mich hierzu gerne an unter 040/309694-34.
Mit freundlichen Grüßen
Rechtsanwalt
Pieperjohanns
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