Arbeitsrecht - Vertragsklausel - Rechtswirksam?
Fragestellung
Sehr geehrte Damen und Herren,
ich habe folgendes Anliegen:
In meinem Arbeitsvertrag musste ich folgende Zusatzvereinbarung unterschreiben:
Ausbildungsvertrag zum zertifizierten Volkswagen PKW Verkäufer
Herr XX YY wird durch die Volkswagen AG im Auftrag der Firma ZZ zum zertifizierten Volkswagen PKW Verkäufer ausgebildet. Für die Berufsausbildung wird folgendes vereinbart:
1. Die Ausbildungsgebühren werden in voller Höhe von der Firma ZZ übernommen, ebenso die Hotelkosten.
2. Für die Hin- und Rückfahrten zu den Lehrgangsorten trägt Herr Kurdi die kosten selbst.
3. Die Prüfungsgebühren übernimmt die Firma ZZ.
4. Die Schulungs- und Prüfungstage sind bezahlte Arbeitstage. Mehr- oder Überstunden, auch für die Reisezeiten werden nicht ausgeglichen.
5. Nach bestandenem Verkäufer Examen (Abschlussprüfung nach 2 Jahren) verpflichtet sich Herr XX YY noch mindestens 3 Jahre (ab Prüfungstag) für die Firma ZZ als Volkswagen PKW Verkäufer tätig zu sein.
6. Wird das Arbeitsverhältnis, gleich aus welchem Grund vorher beendet, von Arbeitnehmerseite oder Arbeitgeberseite, werden die Kosten der Ausbildungslehrgänge, Hotelkosten und Fehlzeiten in Höhe von 15.000 € (als vereinbarter Pauschalbetrag) anteilig zurückgezahlt. Die Verteilung erfolgt nur auf die 3 Jahre nach bestandenem Examen mit jeweils 5.000 € p.a.
Meine Frage ist nun... ist das überhaupt rechtens? Also ich fühle mich sehr unwohl in dem Unternehmen und habe kein Vertrauen mehr in mein Arbeitgeber. Ich habe noch 11 Monate bis zur oben genannten Prüfung. Wenn ich jetzt raus gehe... dann kommen doch keine Kosten auf mich zu, oder?
Also kurz gefasst. Muss ich jetzt kündigen um diesen kosten zu entgehen, oder ist das eh nicht rechtens und ich kann nach bestandenem Examen kündigen, also ohne diese oben genannten 15.000 € zahlen zu müssen.
Ich freue mich auf baldige und kompetente Beantwortung.
Mit freundlichen Grüßen
XX YY
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Antwort von Rechtsanwalt Oliver Wöhler
Sehr geehrter Ratsuchender,
gerne komme ich auf die Anfrage zurück. Erstes Kriterium für eine Fortbildungsklausel ist immer die Frage, ob die Fortbildung dem Arbeitnehmer einen Vorteil bringt, der ihm in Zukunft bessere Verdienst- und Aufstiegschancen bringt. Es muss einen messbaren Mehrwert geben. Das dürfte in Ihrem Fall gegeben sein. Für die Dauer der Bindung kommt es auf die Dauer der Fortbildung an. Bei Ihnen sind 3 Jahre festgelegt, was nach der Rechtsprechung des BAG nur zulässig ist, wenn die Fortbildung insgesamt mindestens 6 Monate oder länger dauert (BAG,
Urteil vom 15.09.2009 - Az.: 3 AZR 173/08).
Dies kann ich nicht beurteilen, weil die Dauer der Fortbildung nicht angegeben wurde, ich gehe aber von mehr als 6 Monaten aus, weil im Vertrag von 2 Jahren die Rede ist und Sie angeben, dass es noch 11 Monate bis zur Prüfung sind.
Die Rechtsprechung fordert weiter Transparenz, dh. der AN muss sofort erkennen können, welche Kosten er möglicherweise in welcher Höhe erstatten muss. Das wäre erfüllt, weil eine Pauschale gewählt wurde. Diese darf natürlich nicht höher sein als die tatsächlichen Kosten.
Allerdings führt unabhängig von den sonstigen Bedingungen in Ihrem Fall Ziffer 6 der Vereinbarung zur Unwirksamkeit der Gesamtregelung. Das BAG stellt bei der Prüfung der Klausel darauf ab, ob die Klausel berücksichtigt wer die Kündigung ausgesprochen hat und aus wessen Bereich die Gründe kommen.
"Eine vom Arbeitgeber in einem Formulararbeitsvertrag aufgestellte Klausel, nach welcher der Arbeitnehmer vom Arbeitgeber getragene Ausbildungskosten bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses ohne jede Rücksicht auf den Beendigungsgrund zurückzahlen muss, ist unwirksam. Sie benachteiligt den Arbeitnehmer unangemessen."
(BAG, Urteil vom 11. 4. 2006 - 9 AZR 610/05).
Dies ist hier genau der Fall, denn Ziffer 6 macht keinen Unterschied ob AN oder AG kündigt und warum.
Die Unwirksamkeit erstreckt sich auf die gesamte Vereinbarung, nicht nur auf Ziffer 6.
Wenn Sie jetzt kündigen, haben Sie ohnehin nichts zu befürchten, weil die Vereinbarung den Fall der Kündigung vor Beendigung der Fortbildung gar nicht regelt.
Wie oben ausgeführt, ist die Klausel unwirksam. Sie können daher auch nach dem Examen kündigen und müssen nichts zurückzahlen.
Für Rückfragen stehe ich gerne zur Verfügung.
Mit freundlichen Grüßen
Oliver Wöhler, Rechtsanwalt und Fachanwalt für Arbeits- und Familienrecht
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Ich danke Ihnen vielmals für Ihre Antwort.
Auch wenn ich der Meinung bin, dass Sie mir schon eine recht ausführliche Antwort geliefert haben, habe ich noch eine kurze frage zu folgendem Satz:
"Das BAG stellt bei der Prüfung der Klausel darauf ab, ob die Klausel berücksichtigt wer die Kündigung ausgesprochen hat und aus wessen Bereich die Gründe kommen."
Das bedeutet doch "eigentlich" das wenn ich kündige, die Klausel wirksam wird, oder?
Da sie mir jedoch folgendes mit Urteil (vielen Dank dafür) geschrieben haben:
"Eine vom Arbeitgeber in einem Formulararbeitsvertrag aufgestellte Klausel, nach welcher der Arbeitnehmer vom Arbeitgeber getragene Ausbildungskosten bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses ohne jede Rücksicht auf den Beendigungsgrund zurückzahlen muss, ist unwirksam. Sie benachteiligt den Arbeitnehmer unangemessen."
(BAG, Urteil vom 11. 4. 2006 - 9 AZR 610/05).
Somit verstehe ich... die komplette Klausel ist unwirksam bzw. Nichtig und egal was ich mache... die Klausel bzw. Vereinbarung hat vor Gericht keinerlei Chance, korrekt?
Kann ich mich auf Grund des Urteils vom 11.04.2006 zu 100% darauf verlassen?
Für ihre Antwort bedanke ich mich im Voraus.
Mit freundlichen Grüßen
Sie haben mich richtig verstanden. Aus der Klausel muss hervorgehen, dass in bestimmten Fällen keine Rückzahlung erfolgt, etwa wenn der AG durch sein Fehlverhalten Anlass zur Kündigung gegeben hat. Es muss differenziert werden, aus welchem Verantwortungsbereich die Kündigung kommt, dann ist die Klausel wirksam. Das fehlt bei Ihnen, was zur gesamten Unwirksamkeit führt. Wäre die Klausel wirksam, müssten Sie zurückzahlen wenn Sie selbst kündigen. Das gilt aber nicht, wie ich geschildert habe.
Es gibt nie 100 % Sicherheit, weil die Auslegung eines Vertrages immer im Ermessen des Gerichts steht. Allerdings lässt Ziffer 6. des Vertrages aus meiner Sicht eine anderen Interpretation nicht zu. Die Klausel ist nach der zitierten Entscheidung unwirksam.
Mit freundlichen Grüßen
Oliver Wöhler, Rechtsanwalt und Fachanwalt für Arbeits- und Familienrecht