Der folgende Inhalt ergänzt meinen Beitrag zum Thema Crowdinvesting auf XING unter der Gruppe "Crowdinvesting", wo ich Bezug genommen habe auf eine akteulle Stellungnahme der BAFIN.

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Schlüsselwörter:

Crowdinvesting und Crowdfunding, Corporate Finance


Sehr geehrte Leserinnen und Leser,

ich habe noch folgende Ergänzungen zu meinem ursprünglichen Beitrag auf XING zur Thematik der rechtlichen Voraussetzungen des Crowdinvesting vorzunehmen.

Derzeit stehe ich aus aktuellem Anlass mit diversen BAFIN lizenzierten Institutionen in Diskussionen. Ziel ist es, eine rechtlich zulässige Gestaltung zu erarbeiten, die es ermöglicht, dass Crowdinvesting Plattformen auch jenseits der 100 TEUR Marke Crowdkapital einwerben können. Ich bin davon überzeugt, dass es für Crowdinvesting Plattformen weder kurzfristig, noch langfristig wirtschaftlich verträglich ist, 100 TEUR Kapitalisierungen durchzuführen, es sei denn, man vernachlässige den Anlegerschutz bei der Prüfung und Beurteilung der poten-tiellen Emittenten, um den Aufwand pro Projekt so gering wie möglich zu halten. Letzteres wäre aber für die Welt des Crowdinvesting tödlich und widerspräche zudem der Philosophie des vertrauensvollen Miteinander von Unternehmen und Crowdinvestoren. Selbstverständ-lich ist es aber wichtig, gerade auch interessante und vielversprechende Startups zu finanzie-ren, um das Unternehmertum in Deutschland (aber auch anderenorts) überhaupt erst er-möglichen zu können. Dennoch ist nicht zu verdrängen, dass statistisch gesehen, 8 von 10 Startups in Deutschland scheitern. Ohne professionelle Plattformbetreiber, die fachlich bes-ser sind als die typischen privatwirtschaftlichen und halbstaatlichen Existenzgründungbera-tungen und somit die Auswahl der Startup Unternehmen mit einer höheren Wahrscheinlich-keit des "Erfolgs" vornehmen können, würde es zwangsläufig dazu führen, dass in Kürze schon erste adhoc Meldungen diverser Plattformen das "AUS" von Crowdinvesting Projekten verkünden müssten, mit der weiteren Folge des Totalverlusts des Kapitals der Crowdinvesto-ren und dem Zusammenbruch der Crowdinvesting Welt im Ganzen. Die Gefahr des Totalver-lusts für die Anleger/Crowds sollte man nicht verharmlosen, indem immer wieder darauf verwiesen wird, dass es sich ja pro Investor nur ein kleiner Betrag handelt, der investiert wird (z.B. 250 Euro). So stark, wie die Intelligenz der Crowd auch ist, wenn es um die Finan-zierungskraft für Unternehmen geht, so gefährlich und zerstörend kann diese Crowd sein, wenn die ersten Projekte implodieren und sich der Zorn des "Schwarms" gegen die jeweilige Plattform richtet. Die Reduktion von Plattformen auf 100 TEUR Investments hat somit aus zweierlei Sicht keine Zukunft. Zum einen ist das Anleger-Risiko bei Startups sehr hoch, zum anderen kann eine Plattform bei gewissenhafter Arbeitsweise wirtschaftlich dauerhaft nicht existieren.

Insofern sollte es vornehmliches Ziel sein, dass Crowdinvesting Plattformen auch Beträge jenseits der 100 TEUR Schwelle finanzierungsseitig darstellen können und dies rechtlich si-cher dürfen. Die derzeitig "gebastelten Konstruktionen" (Nachrangdarlehen, zwischenge-schaltete Fondsgesellschaft, Treuhänder etc.) mancher Plattformen stellen keine Lösungen dar, ja in der Tat gefährdet man damit das Crowdinvesting in Gänze und fördert den Unwil-len des Gesetzgebers, für das Crowdinvesting eine Erleichterung zu erreichen, insbesondere dann, wenn finanzielle Flurschäden durch gescheiterte Projekte zu Tage treten.

Daher auch meine aktuellen Diskussionen mit diversen Kooperationspartnern.

Keineswegs sinnvoll ist es, die Plattformen quasi mit einer BAFIN Voll-Lizenz auszustatten. Diese wird erstens kaum zu erhalten sein und zweitens, wenn ja, dann sind die Kosten und Folgekosten hierfür derart hoch, dass sich ein Crowdinvestment für den Unternehmer, der Kapital benötigt, überhaupt nicht mehr lohnt. Natürlich könnte man annehmen, dass das Vorhandensein einer Volllizenz für die Plattform zu einem kometenhaften Aufstieg dieser führt, insbesondere aus wirtschaftlicher Sicht. Ich denke, dass dies nur dann der Fall sein wird, wenn die jeweilige Plattform ein sehr großes Kapitalvolumen umschlägt. Das wiederum setzt voraus, dass die Plattform entsprechend personell und technisch ausgestattet ist und sich im Ergebnis vorhandenen institutionellen Anlegern "angleichen" und somit deutlich an "Farbe" verlieren würde. Ob das schlussendlich noch der Philosophie des Crowdinvesting entspricht, sei dahingestellt.

Folglich muss ein Weg gefunden werden, der es den Plattformen ermöglicht, einerseits rechtlich sicher und andererseits auch wirtschaftlich vernünftig agieren zu können. Darüber hinaus muss es Ziel sein, nicht nur Startups, sondern auch bestehende Unternehmen zu fi-nanzieren. Damit würde man zudem eine Risiko-Glättung im Sinne des Anlegerschutzes er-reichen. Ich bin der Meinung, dass es bei einer Vielzahl der Startups im Rahmen der Investi-tions- und Finanzplanung Finanzierungsbedarfe gibt, die größer als 100 TEUR sind, so dass generell die Hürde von 100 TEUR rechtlich sicher genommen werden muss. Gerade innovati-ve und technologisch orientierte Unternehmensgründungen können sehr kapitalintensiv sein. Beschränkt man sich beim Crowdinvesting auf eher dünne Unternehmensideen (z.B. die Strick-Liesel Variante), schafft man volkswirtschaftlich keine nachhaltig positiven Impulse.

So interessant und ideologisch wertvoll derzeit das Crowdinvesting auch wahrgenommen wird, so wichtig ist es dennoch, die Plattformen professionell und hocheffizient zu betreiben, um den Anleger zu schützen, um die Kosten für das Kapital so gering wie möglich zu halten, um nachhaltig am Markt bestehen zu können und sich dabei aber weiterhin von institutio-nellen abschlussorientierten Anlegerstrukturen zu distanzieren. Ob dies in dem reglemen-tierten Deutschland letztendlich möglich ist, bleibt zu prüfen und abzuwarten. Nicht unter-schätzen sollte an die LOBBY der Kapitalmärkte, die es nicht ohne weiteres und erst recht nicht ohne deren Einflussnahme zulassen wird, dass sich das Crowdinvesting dynamisch entwickeln wird.

Sobald ich meine Diskussionen mit einem hoffentlich positiven Ergebnis beendet habe, wer-de ich mich nochmals hier zu Wort melden und eine mögliche Gestaltung für das Crowdin-vesting darstellen.

Mit freundlichen Grüßen,

Rainer Schenk