Tarifliche Gehaltserhöhung während Elternzeit
Fragestellung
Sehr geehrte Damen und Herren,
leider konnte mir Frau Rechtsanwältin Dekker nicht weiterhelfen. Deshalb hier meine Frage nochmal an alle Experten.
Ich bin seit 6 Jahren in Elternzeit und werde ab 1. November wieder bei meiner Firma (Pharmabranche) in Teilzeit (vorher Vollzeit) arbeiten. Angestellt bin ich dort seit 2004. Ich weiß, dass in den letzten 6 Jahren Tariferhöhungen stattgefunden haben.
Meine Firma stuft mich gehaltsmäßig allerdings so ein wie vor 6 Jahren, als ich in Elternzeit ging, mit der Begründung ich habe in der Zeit ja auch keine Arbeitsleistung erbracht. Ich dachte allerdings Tariferhöhungen stehen allen Mitarbeitern zu, die in einem Beschäftigungsverhältnis stehen. Leider finde ich im Internet keinen vollständigen Tarifvertrag der chemischen Industrie Bayern, um genau nachlesen zu können.
Meine konkrete Frage lautet also, stehen mir nach meiner Elternzeit die tariflichen Gehaltserhöhungen zu oder kann meine Firma sie mir verweigern? Wenn ja, gibt es dazu schon ein Urteil, auf das ich mich beziehen könnte? Darf ich, nur weil ich in Elternzeit war, schlechter gestellt werden als andere Mitarbeiter?
Herzlichen Dank für Ihre Antwort!
Freundliche Grüße
Hinweis: Die Frage und Antwort wurde anonymisiert und mit Erlaubnis des Kunden veröffentlicht. Ihre eigene Frage wird standardmäßig nicht veröffentlicht.
Antwort von Rechtsanwältin Silke Meeners
Sehr geehrte Ratsuchende,
die Beantwortung Ihrer Frage hängt maßgeblich von den individuellen Vereinbarungen in Ihrem Arbeitsvertrag ab, den ich daher zusätzlich zu Ihren o.g. Angaben einsehen sollte.
Grundsätzlich stellt sich die Rechtslage so dar:
Eine zwischenzeitlich erfolgte allgemeine Tariflohnerhöhung bekommen alle Beschäftigten, auch diejenigen, die aus der Elternzeit zurückkehren.
Das gilt - unabhängig von dem hier konkret geltenden Tarifvertrag z.B. auch bei nicht tarifgebundenen Arbeitgebern, die eine allgemeine Gehaltserhöhung vorgenommen haben.
Wurde das Gehalt aber individuell vereinbart, steigen Sie nach Rückkehr aus der Elternzeit bei Ihrem zuvor verdienten letzten Gehalt ein.
Wird außerdem im Arbeits- oder Tarifvertrag Bezug genommen darauf, dass die Erhöhungen für alle Beschäftigten gelten, die in der Zeit auch Berufserfahrung dazu gewonnen haben (also tatsächlich tätig waren), gilt dies ebenfalls nicht für Beschäftigte in Elternzeit.
Den Beschäftigten in Elternzeit wird dann Bestandsschutz hinsichtlich Ihrer Berufserfahrung bis zum Antritt der Elternzeit gewährt, sie können also nicht aufgrund jahrelanger Abwesenheit vom Arbeitsplatz zurückgestuft werden und z.B. wieder beim ursprünglichen Einstiegsgehalt anfangen. Sie profitieren dann aber auch nicht von zwischen zeitlich eingetretenen Lohnerhöhungen.
Diese Ungleichbehandlung wird von den Arbeitsgerichten auch als zulässig anerkannt. Dabei wird an das sachliche Unterscheidungsmerkmal der hinzugewonnenen Berufserfahrung und die damit verbesserte Arbeitsleistung zwischen tatsächlich tätigen Beschäftigten und Beschäftigten in Elternzeit (die in der Praxis nicht nur keine Berufserfahrung gewonnen haben, sondern sich nach Wiedereinstieg teilweise wieder neu einarbeiten müssen) angeknüpft.
Das Bundesarbeitsgericht hat vor diesem Hintergrund bereits im Jahr 2011 die Klage einer Mitarbeiterin, die aus der Elternzeit heimkehrte, auf Gleichstellung in der Vergütung zurückgewiesen (BAG, 27.1.2011, 6 AZR 526/09).
Dort ging es allerdings um die Stufenlaufzeit nach TVöD.
Wenn Ihr Arbeitgeber sich hier auf eine vergleichbare Regelung im Tarifvertrag der chemischen Industrie Bayern beruft, muss der die Regelung benennen und Ihnen zur Prüfung zugänglich machen. Sie können also die - auszugsweise - Vorlage des Tarifvertrags verlangen, um Ihre Gehaltsansprüche klären zu können.
Für Ihre Rückfragen stehe ich gerne zur Verfügung und werde meine Antwort nach Vorlage des Arbeitsvertrages entsprechend ergänzen.
Mit freundlichen Grüßen
Rechtsanwältin S. Meeners
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zur rechtlichen Beurteilung des geschilderten Sachverhalts und Beantwortung Ihrer Frage benötige ich Ihren Arbeitsvertrag zur Prüfung. Bitte laden Sie ihn hier als Dokument in Dateiform hoch oder übersenden ihn per E-Mail an meeners@argo-rechtsanwaelte.de .
Mit freundlichen Grüßen
vielen Dank für Ihre schnelle Antwort!
Leider habe ich keine Möglichkeit meinen Arbeitsvertrag einzuscannen und Ihnen zu schicken. Deshalb tippe ich die wichtigsten Punkte ab:
In meinem Arbeitsvertrag steht unter dem Punkt "VERGÜTUNG" lediglich mein Grundgehalt und die Zahlung von Weinachts- und Urlaubsgeld.
Unter Punkt "ZUSÄTZLICHE LEISTUNGEN" steht die Zahlung von VWL und eines Essensgeldzuschusses.
Einen Hinweis auf die Gültigkeit eines Tarifvertrages finde ich im gesamten Arbeitsvertrag nicht. Mehr wird hinsichtlich Gehalt nicht festgehalten.
Allerdings habe ich meine letzte Gehaltserhöhung aus dem Jahre 2009 gefunden. Darin steht:
"...wir freuen uns, Ihnen trotz der augenblicklichen Ausgangslage mitteilen zu können, dass wir vom Tarifabschluss 2008 die Erhöhung der Entgelte in Höhe von 3,3% ab 1. Mai 2009 übernehmen werden.
Ihr Bruttomonatsentgelt beträgt somit xxxx EUR brutto.
Die Erhöhung Ihrer Bezüge analog zur tarifvertraglichen Regelung ist eine freiwillige Leistung des Unternehmens. Ein Rechtsanspruch auf künftige Tariferhöhungen kann dadurch nicht abgeleitet werden...."
Hieraus könnte man aufgrund der "freiwilligen Leistung" schließen, dass eine Tariferhöhung während meiner Elternzeit aussetzbar wäre.
Ganz gerecht fände ich das allerdings nicht. Es geht nirgends hervor, dass eine Erhöhung nur bei gewonnener Berufserfahrung gezahlt wird.
Würde mich über eine nochmalige Stellungnahme sehr freuen.
Freundliche Grüße,
B.R.
tatsächlich ist vor dem zitierten Wortlaut der letzten Lohnerhöhung im Jahr 2009 davon auszugehen, dass einerseits die Übernahme der tariflichen Lohnerhöhung einerseits eine freiwillige Leistung des Arbeitgebers war, auf die Sie nicht ohne Weiteres weiterhin Anspruch haben, andererseits der sachliche Unterscheidungsgrund zwischen "aktiven" Beschäftigten und solchen in Elternzeit hier leider berechtigt Anwendung findet.
Ich kann verstehen, dass Sie dies als ungerecht empfinden, leider wurde eine solche Regelung aber wie geschildert schon beim Bundesarbeitsgericht bestätigt.
Möglicherweise greift aber in Ihrem Arbeitsverhältnis noch eine Betriebsvereinbarung oder andere innerbetriebliche Vereinbarung zu Ihren Gunsten. Um dies zu klären, empfehle ich die Kontaktaufnahme zum Betriebsrat.
Rein arbeitsrechtlich fällt die Prüfung zu meinem Bedauern nicht in Ihrem Sinne aus.
Mit freundlichen Grüßen
trotzdem vielen Dank!
Mit freundlichen Grüßen