Kinderfreibetrag Erst- oder Zweitausbildung/Werbungskosten Praktikum Ausland
Fragestellung
Frage 1:
Unser Sohn (deutscher Staatsangehöriger/Erstwohnsitz Deutschland) studiert seit 2016 am Technikum in Wien im Bachelorstudiengang Maschinenbau. Seine Hochschulreife (Matura) hat er gekoppelt mit einer Berufsausbildung zum Mechatroniker mit Abschlussprüfung in Österreich absolviert. Da diese Ausbildung zur Ausübung eines Berufes befähigt, konnte ich die Kosten des Bachelorstudiums in den Steuererklärungen unseres Sohnes als Werbungskosten geltend machen und somit bei ihm die Feststellung eines verbleibenden Verlustvortrages bewirken.
In unserer Steuererklärung gab ich an, dass unser Sohn bereits eine Erstausbildung abgeschlossen hat und dass er nicht erwerbstätig ist. Somit wurde der Freibetrag für auswärtig untergebrachte Kinder in Berufsausbildung in Höhe von € 924 voll angerechnet.
2019 hat mein Sohn seine Bachelorarbeit bei der Firma Krauseco in Wien im Rahmen eines Pflichpraktikums gemacht. Er arbeitete dort vom 04.03.2019 - 31.08.2019, erhielt € 10.101,88 Bruttobezüge und hatte lt. Dienstvertrag eine wöchentliche Arbeitszeit von 38,5 Stunden. Eine unschädliche Erwerbstätigkeit liegt also in diesem Fall nicht vor. Der volle Freibetrag (€ 924,--) käme also 2019 meines Wissens nur zum Ansatz, wenn die erstmalige Berufsausbildung noch nicht abgeschlossen wäre.
Nun wurde ich durch die Eingabehilfe bei der Einkommensteuererklärung und weiterem Recherchieren in der Fachliteratur darauf aufmerksam, dass eine weiterführende Ausbildung noch zur ersten Berufsausbildung gehört, wenn das Berufsziel des Kindes nur über die vorangegangene Ausbildung erreicht werden kann und sie im zeitlichen und sachlichem Zusammenhang mit der vorangegangenen Ausbildung durchgeführt wird.
Kann ich deshalb in unserer Steuererklärung 2019 angeben, dass die erstmalige Berufsausbildung noch nicht abgeschlossen ist oder ist dies aufgrund der im Rahmen einer Zweitausbildung geltend gemachten Werbungskosten in der Steuererklärung meines Sohnes nicht möglich?
Frage 2:
Wie verfahre ich mit den Studienkosten meines Sohnes in dessen Erklärung zur Feststellung des verbleibenden Verlustvortrages 2019 in Deutschland am besten?
Muss ich die Fahrtkosten (Hin- und Rückfahrt, da nicht regelmäßige Tätigkeitsstelle) sowie den Verpflegungsmehraufwand (€ 27,00 Österreich oder 12,00 Deutschland?), welche bezüglich des Pflichtpraktikums entstehen in der Anlage N-AUS, in welcher der Arbeitslohn bzgl. des Progressionsvorbehalts eingetragen werden muss, angeben oder kann ich diese Kosten den üblichen Studienkosten beifügen?
Die Lohnsteuerrückzahlung durch das österreichische Finanzamt müsste auch ohne Werbungskostenansatz erfolgen, da dort ein Jahreseinkommen bis € 12.600 bei Arbeitnehmern steuerfrei ist.
Mit freundlichen Grüßen
Helene H.
Hinweis: Die Frage und Antwort wurde anonymisiert und mit Erlaubnis des Kunden veröffentlicht. Ihre eigene Frage wird standardmäßig nicht veröffentlicht.
Antwort von Steuerberater Björn Balluff
Sehr geehrte Ratsuchende,
Ihr Sohn hat im Anschluss an die Matura unmittelbar eine Berufsausbildung zum Mechatroniker abgeschlossen. Nach der Sachverhaltsschilderung wurde unmittelbar darauffolgend ein Bachelorstudiengang Maschinenbau begonnen, das in 2019 erfolgreich abgeschlossen worden ist, um das eigentliche Berufsziel (ggf. Ingenieur) zu realisieren.
Ein umittelbarer zeitlicher und sachlicher Zusammenhang scheint offensichtlich gegeben zu sein.
Für die Abgrenzung (ob das Studium Teil der Erst- oder Zweitausbildung ist) ist von Bedeutung, ob das Kind die Qualifikationen, die es durch den ersten Abschluss erworben hat, für die Erwerbstätigkeit nutzt. Schließt das Kind beispielsweise eine Ausbildung in einem kaufmännischen Beruf durch eine Abschlussprüfung ab und wird es auch vom Ausbildungsbetrieb in dem erlernten Beruf übernommen oder beginnt ein Bachelorabsolvent einen Beruf, der ihm durch diesen Abschluss eröffnet wurde, liegen Hinweise dafür vor, dass die Erwerbstätigkeit im Vordergrund steht. Wird dann eine weitere Ausbildungsmaßnahme begonnen, sprechen die Indizien dafür, dass es sich nicht um einen zusammenhängenden Ausbildungsabschnitt handelt, sondern um eine berufliche Weiterbildung, die der Höherqualifikation dient.
Vorliegend wurde zunächste eine berufliche Ausbildung abgeschlossen. In dem Beruf des Mechatronikers hat Ihr Sohn jedoch nicht gearbeitet, sondern das Bachelorstudium unmittelbar angeschlossen. Dies spricht für eine in sich geschlossene Erstausbildung.
Sie können folglich in Ihrer Steuererklärung angeben, dass die Erstausbildung bis zum Bachelorabschluss noch nicht abgeschlossen war.
Daneben gibt es jedoch das Problem, dass bei einer Erstausbildung die Aufwendungen für das Bachelorstudium nur im Rahmen eines Sonderausgabenabzugs von bis 6.000 Euro je Kalenderjahr abgezogen werden. Dabei ist zu beachten, dass der Abzug nur bis zur Höhe der steuerpflichtigen Einkünfte (d.h. ohne ausländische) in dem Jahr erfolgen kann. Dementsprechend würde der Verlustvortrag wieder rückgängig gemacht werden müssen.
Die Dienstreisen zum Praktikum sowie die anfallenden Verpflegungsmehraufwendungen (27,00 €) müssen auf der Anlage N-Aus angesetzt werden, da diese unmittelbar mit dem Anstellungsverhältnis im Zusammenhang stehen. Insofern würde diese nur im Rahmen des Progressionsvorbehalts berücksichtigt werden.
Ich hoffe, dass ich Ihnen mit diesen Ausführungen weiterhelfen konnte. Für weitere Rückfragen stehe ich Ihnen gerne per Kommentarfunktion zur Verfügung. Über eine positive Bewertung würde ich mich sehr freuen.
Mit freundlichen Grüßen,
Björn Balluff
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