Prozessbetrug
Fragestellung
Ich hatte vor Jahren eine Berufsunfähigkeitsversicherung abgeschlossen. In dem Vertrag mußte man angeben welche Vorgeschichte wegen Krankheiten ich hatte. Auf dem Vertrag war nicht genug Platz. Deswegen schrieb ich die Krankheiten und die Ärzte auf einem seperaten Zettel mit Durchschlag. Der Versicherungsvertreter schrieb oben Ort und Datum ich dann die Ärzte mit Unterschrift.
Die Versicherung zahlt nicht mehr. War damit bis zum Oberlandesgericht. Habe Vergleich angenommen.
Da ich zu dem Zeitpunkt meine Kopie nicht zur Hand hatte und leider erst nach dem Urteil gefunden habe. Kann ich sie nicht mehr verwenden.
Mir geht es jetzt darum ob ich den Versicherungsvertreter verklagen kann wegen Unterschlagung von dem Beweis und auf Entschädigung.
Hätte er den Beweis bei Gericht vorgelegt, dann hätte ich gewonnen.
Hinweis: Die Frage und Antwort wurde anonymisiert und mit Erlaubnis des Kunden veröffentlicht. Ihre eigene Frage wird standardmäßig nicht veröffentlicht.
Antwort von Rechtsanwalt Marc Nathmann
Sehr geehrter Fragesteller,
lassen Sie mich bitte voranstellen, dass es mir auf Grundlage Ihrer Schilderung nicht möglich ist die Erfolgsaussichten einer eventuell von Ihnen angestrebten Klage gegen den Versicherungsvertreter zu beurteilen. Dies erforderte insbesondere weitere Unterlagen.
Ich erkläre Ihnen daher auf Grundlage Ihres Sachverhalts abstrakt die wesentlichen Möglichkeiten eines Vorgehens gegen den Verteter bzw. die jeweiligen Voraussetzungen.
1. Alternative
Denkbar ist nach Ihrer Schilderung des Sachverhalts zunächst, dass Sie dem Versicherungsvertreter vorwerfen, dass er die von Ihnen gemachten Angaben über Vorerkrankungen nicht weitergeleitet hat. Dieses Verhalten stellte eine Pflichtverletzung dar und aufgrund dessen könnten Sie den Versicherungsvertreter dem Grunde nach auf Schadensersatz in Anspruch nehmen.
Das maßgebliche Problem hierbei ist, dass - so verstehe ich Ihre Schilderung - das OLG bereits rechtskräftig festgestellt hat, dass die Angaben über die Vorerkrankungen jedenfalls der Versicherung nicht vorlagen. Diese Feststellung kann unter Umständen auch für einen späteren Prozess gegen den Versicherungsvertreter bindend sein, sodass bereits aus diesem Grund die Erfolgsaussichten einer Klage gering wären. Die Bindungswirkung hängt ganz maßgeblich davon ab, in welchem Verhältnis der Versicherungsvertreter zur beklagten Versicherung steht und welche Position er im Vorprozess hatte. Letztlich ist diese Frage nur durch Einsicht in das Urteil und die Prozessunterlagen zu klären.
Weiter müssten Sie unabhängig von vorstehendem Problem nachweisen, dass der Versicherungsvertreter die Informationen über Ihre Vorerkrankung tatsächlich nicht weitergegeben hat. Hier sehe ich nach Ihrer Schilderung gute Chancen diesen Beweis zu erbringen, insbesondere, da der Vertreter Ihre Angaben ja auf dem Durchschlag selbst unterzeichnet hat.
In jedem Fall müssten Sie sich allerdings vorhalten lassen, aus welchem Grund erst nach Abschluss eines langen Prozesses derart prozessentscheidende Dokumente auftauchen.
2. Alternative
Als zweite Möglichkeit verstehe ich Sie so, dass Sie zumindest andeuten, der Versicherungsvertreter habe im Vorprozess Ihre Angaben/ Unterlagen zurückgehalten. Diese Schilderung deutet in die Richtung einer falschen Aussage vor Gericht. Damit läge auch ein Verdacht wegen Prozessbetrugs nahe. Sollte sich tatsächlich nachweisen lassen, dass Straftaten im Vorprozess begangen sein sollten, wäre grundsätzlich ein Urteil im Wege der sog. Restitutionsklage gem. § 580 ZPO oder ein Vergleich im Wege der Anfechtung angreifbar. Daneben hätten Sie gegen den Versicherungsvertreter auch einen Anspruch auf Schadensersatz.
Ein solches Vorgehen hat rechtlich allerdings hohe Hürden und hat in der Praxis nur selten Erfolg.
Es setzt voraus, dass der Versicherungsvertreter sich durch "Zurückhalten" der Unterlagen tatsächlich strafbar gemacht hätte. Der Nachweis ist hier extrem schwierig. In der Praxis kommt es nur höchst selten zu Verurteilungen wegen derartiger Straftaten. Die Möglichkeiten woran der Nachweis scheitern kann sind vielfältig. Zum Beispiel ist es denkbar, anzunehmen, dass der Vertreter im Prozess bereits vergessen hatte, dass Ihre Angaben tatsächlich existierten. Schließlich sind die Vorgänge lange her und von einem Vertreter ist kaum zu erwarten, dass er sich an jeden Kunden, geschweige denn jeden Vorgang erinnern kann.
Um diese Möglichkeit überhaupt ernsthaft in Betracht zu ziehen, sollten Sie wirklich erhebliche Anhaltspunkte für ein zumindest bewusstes oder gebilligtes "Zurückhalten" vorbringen können.
Nur in diesem Falle wäre Ihnen zunächst zu einer Strafanzeige, nach Abschluss der Ermittlungen zu einer Klage zu raten.
Ich weise Sie aber ausdrücklich darauf hin, dass Sie unter Umständen selbst mit Strafverfolgung rechnen müssten, wenn die Vorwürfe sich als falsch herausstellen sollten. In jedem Fall sollten Sie vor derartigen Schritten alle Unterlagen sorgfältig mit Hilfe eines Anwalts prüfen.
Zusammengefasst, dürfte wohl am ehesten die erste Möglichkeit realistisch sein. Allerdings sind die Erfolgsaussichten nach einem bereits abgeschlossenen Prozess eher als riskant einzustufen. Zum einen wäre als erstes eine Bindungswirkung zu prüfen, zum anderen erschwert bereits der Zeitablauf die Beweis- und Prozessführung kontinuierlich.
Eine konkrete Prognose setzt jedoch stets das gründliche Studium aller Unterlagen aus dem Vorprozess voraus. Erst danach ist abzuschätzen, ob eine Klage Erfolg verspricht.
Sie sollten in jedem Fall bevor Sie weiteren anwaltlichen Rat suchen, für sich prüfen, ob ein unsicherer Erfolg das Kostenrisiko eines weiteren Prozesses wert wäre. Für Ihre Prognose empfehle ich Ihnen diverse frei zugängliche Prozesskosten-Rechner.
Ich hoffe, Ihnen weitergeholfen zu haben.
Mit freundlichen Grüßen
Marc Nathmann
- Rechtsanwalt -
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