Erbrecht
Beantwortet
Fragestellung
Sachverhalt:
Ehemann verstorben (60Jahre), hat Tochter aus 1. Ehe
Ehefreu hat Tochter aus 1. Ehe
keine gemeinsamen Kinder
Testament über Notar machen lassen: gegenseitige Alleinerben - Tochter des Mannes
erhält Pflichtteil
Nachlass Ehemann:
Aktiva 3.000 € / Passiva 42.000 € (Verbraucherkredite)
1/2 Immobilie, die andere Hälfte gehört der Ehefrau
es besteht ein Hypothekendarlehen, welches von beiden aufgenommen und vom gemeinsamen
Konto getilgt wurde.
Restschuld: 12.000€
Wert der Immobilie laut Gutachter: ca. 140.000 €
es besteht eine weiteres Hypothekendarlehen, welches ebenfalls von beiden aufgenommen und vom gemeinsamen Konto bedient wurde - Restschuld 136.000 €. (Es ist für eine eigenbewohnte Eigentumswohnung, bei der nur die Ehefrau im Grundbuch steht.)
Wohnung sollte der Altersvorsorge für Ehefrau sein, da nur kleine Rente zu erwarten ist.
1. Frage
wird die ETW der Ehefrau bei der Berechnung des Pflichtteilanspruchs einbezogen (Zugewinn) und wenn ja in welcher Form.
2. Frage
Der Pflichtteilsanspruch ist ein sofort fälliger Geldanspruch, den die Ehefrau nicht erfüllen kann.
Sie hat 370 € mtl Witwenrente und ca. 1000 € Einnahmen aus dem von ihr und ihrer Tochter betriebenen Geschäft in der eigenen Immobilie (von der ihr die Hälfte gehört).
Aufgrund Ihres Alters (63) und der bereits bestehenden Schulden, erhält sie sicher keinen
Kredit. Welche Möglichkeiten bestehen?
Immobilienverkauf sollte keine Option sein, da in der (nicht zu großen) ETW sie selbst wohnt
und in der anderen Immobiie ein Geschäft betreibt, und damit Ihren Lebensunterhalt verdient.
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Antwort des Experten
Sehr geehrte/r Fragensteller/in,
sofern Sie keinen Ehevertrag geschlossen haben und der gewöhnliche Aufenthalt des Erblassers in Deutschland war, ist dessen Tochter pflichtteilsberechtigt. Die Pflichtteilsquote beträgt 1/4.
Bitte beachten Sie, dass die Ansprüche nach drei Jahren verjähren. Die Verjährungsfrist beginnt mit dem Ende des Jahres, in dem der Anspruchsberechtigte von seinem Anspruch Kenntnis erlangt hat oder ohne grobe Fahrlässigkeit hätte erlangen müssen.
Sie schildern die Zusammensetzung des Nachlasses wie folgt:
Aktiva:
Bank, Bar, Haushaltsgegenstände u.ä.: 3000,- €
1/2 Immobilie (Wert der ganzen Immobilie 140.000 €): 70.000 €
Passiva:
Verbraucherdarlehen: 42.000 €
1/2 Immobiliendarlehen (insg. 12.000 €): 6.000 €
1/2 Immobiliendarlehen (insg. 136.000 €): 68.000 €
Da die Passiva die Aktiva übersteigen, also der Nachlass faktisch überschuldet ist, laufen Pflichtteilsansprüche ins Leere.
Allerdings gibt es auch sogenannte Pflichtteilsergänzungsansprüche. Auch hier beträgt die Quote 1/4 aus dem Wert der lebzeitigen Schenkungen, die der Erblasser getätigt hat. Die Schenkung wird innerhalb des ersten Jahres vor dem Erbfall in vollem Umfang, innerhalb jedes weiteren Jahres vor dem Erbfall um jeweils ein Zehntel weniger berücksichtigt. Sind zehn Jahre seit der Leistung des verschenkten Gegenstandes verstrichen, bleibt die Schenkung unberücksichtigt. Ist die Schenkung an den Ehegatten erfolgt, so beginnt die Frist nicht vor der Auflösung der Ehe. Die Frist beginnt auch regelmäßig nicht, wenn der Schenker sich Nutzungsrechte vorbehalten halt.
Ehebedingte Zuwendungen sind grundsätzlich auch Schenkungen, die eine Pflichtteilsergänzung auslösen können. Ob eine solche ehebedingte Zuwendung vorliegt, kann ich an Hand der Sachverhaltsbeschreibung nicht einschätzen. Eine angemessene Altersvorsorge soll beispielsweise keine solche Schenkung sein (vgl. OLG Stuttgart, Beschluss vom 26. 1. 2011 - 19 W 52/10;
Schleswig-Holsteinisches OLG, Beschluss vom 16. Februar 2010 – 3 U 39/09).
Zu Ihrer 1. Frage:
Grundsätzlich werden nur Vermögenswerte, die auch im Eigentum (Allein- oder Miteigentum) des Erblassers standen berücksichtigt.
Die ETW im Eigentum der Ehefrau bleibt also grundsätzlich unberücksichtigt. Nur im Rahmen der Pflichtteilsergänzung kann darüber nachgedacht werden, ob die Tilgungsanteile des Erblassers zur Finanzierung der Eigentumswohnung der Ehefrau ergänzungspflichtige Zuwendungen darstellen. Angesichts der geringen Einnahmen spricht aber einiges für eine angemessene Altersvorsorge. Außerdem wird es auch darauf ankommen, ob der Erblasser zu Lebzeiten die ETW mitgenutzt hat und ob beide Ehegatten auf das gemeinsame Konto eingezahlt haben oder es sich um eine reine Alleinverdienerehe handelte.
Eine Art Zugewinnausgleichsanspruch des Erblassers wird nicht berücksichtigt.
Zu Ihrer 2. Frage:
Der Erbe kann Stundung des Pflichtteils verlangen, wenn die sofortige Erfüllung des gesamten Anspruchs für den Erben wegen der Art der Nachlassgegenstände eine unbillige Härte wäre, insbesondere wenn sie ihn zur Aufgabe des Familienheims oder zur Veräußerung eines Wirtschaftsguts zwingen würde, das für den Erben und seine Familie die wirtschaftliche Lebensgrundlage bildet. Die Interessen des Pflichtteilsberechtigten sind angemessen zu berücksichtigen.
Die sofortige Erfüllung des gesamten Pflichtteilsanspruchs muss den Erben nicht wegen der sofortigen Zahlungspflicht, sondern wegen der Art der Nachlassgegenstände unbillig hart treffen. Es reicht daher nicht aus, wenn die Zahlungspflicht mit erheblichen Schwierigkeiten verbunden ist, vielmehr muss regelmäßig die Erfüllung ohne die Veräußerung des Nachlasswertes nicht möglich sein.
Als Beispiel für eine unbillige Härte wird der Fall genannt, dass die sofortige Erfüllung den Erben
zur Aufgabe der Familienwohnung oder
zur Veräußerung eines Wirtschaftsgutes
zwingen würde, das die Lebensgrundlage bildet. DIese Situation haben Sie geschildert.
Weitere Voraussetzungen sind, dass die Pflichtteilsansprüche auch nicht aus dem sonstigen Eigenvermögen der Erbin oder durch eine Kreditaufnahme erfüllt werden können.
Es empfiehlt sich, als Nachweis verschiedene Kreditanfragen zu stellen. Ablehnungsschreiben können dann als Nachweis dafür dienen, dass sich die Erbin vergeblich um eine Finanzierung der Ansprüche bemüht hat.
Die Interessen des Pflichtteilsberechtigten müssen ebenfalls berücksichtigt werden. Es kann auch zu einer Mittellösung kommen, indem eine Ratenzahlung zu vereinbaren ist. Auf jeden Fall mus der Pflichtteilsberechtigte im Falle einer Stundung ausreichend gesichert sein. Das kann bspw. durch die Bestellung entsprechender Grundpfandrechte erfolgen.
Die Erbin muss also einen entsprechenden Antrag stellen und auch ihre Vermögens- und Einkommensverhältnisse sowie die fehlende Möglichkeit einer Kreditaufnahme darlegen und belegen.
Ein solcher Antrag muss beim Nachlassgericht gestellt werden, wenn die Pflichtteils- und Pflichtteilsergänzungsansprüche unstreitig sind. Sind diese Ansprüche Gegenstand eines Verfahrens vor dem Amts- oder Landgericht, ist in diesem Verfahren der Stundungsantrag zu stellen.
Das Gericht kann den Anspruch dann ganz oder teilweise stunden, Zahlungsaufschub oder Ratenzahlung gewähren. Eine gestundete Forderung hat der Schuldner zu verzinsen.
Das Gericht kann auf Antrag anordnen, dass der Schuldner für eine gestundete Forderung Sicherheit zu leisten hat.
Über die Höhe der Verzinsung und über Art und Umfang der Sicherheitsleistung entscheidet das Gericht nach billigem Ermessen
Ist der Pflichtteilsanspruch unstreitig, so kann das Nachlassgericht auf Antrag die Verpflichtung des Erben zur Zahlung des Pflichtteilsanspruchs in seinen Beschluss aufnehmen und so dem Pflichtteilsberechtigten einen vollstreckbaren Titel verschaffen.
Mit freundlichen Grüßen,
Matthias Zachmann
Rechtsanwalt
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