Beteiligung Erschließungskosten
Beantwortet
Fragestellung
Baurecht: Bisher ist unser Grundstück gem. Flächennutzungsplan im Aussenbereich - ohne Strassenanschluss an das Dorf (direkte Zufahrt von der Bundesstrasse). Die Gemeine plant eine Änderung des Flächennutzungsplans bzgl. des Nachbargrundstücks (bisher Weide, zukünftig Wohnbebauung). Im Zuge dessen auch einen Stichweg zu unserem Grundstück, dass aber im Aussenbereich bleiben soll, also nicht in den kommenden Bebauungsplan einbezogen werden soll. Neben dem Stichweg zum Strassennetz der neuen Siedlung werden wir auch bzgl.Ver- und Entsorgungsleitungen über das neue Netz in der kommenden Siedlung angeschlossen (bisher laufen die Leitungen über das Nachbargrundstück oder kommen direkt von der Bundesstrasse und wir klären selbst unsere Abwässer, was dann sowieso enden wird, weil Anschluss- und Benutzerzwang). Frage: Können wir an den Erschließungskosten bzgl. Strassenbau, Versorgungsleitungen Strom, Gas, Wasser und Lärmschutzwall zur Bundesstrasse der demnächst enstehenden Siedlung entsprechend der Satzung unserer Gemeinde beteiligt werden oder eben nicht, wenn wir weiterhin den Status Aussenbereich haben?
Hinweis: Die Frage und Antwort wurde anonymisiert und mit Erlaubnis des Kunden veröffentlicht. Ihre eigene Frage wird standardmäßig nicht veröffentlicht.
Antwort des Experten
Sehr geehrte Fragensteller,
in dem frühen Stadium kann ich Ihnen leider nur eine pauschale Auskunft erteilen, die sich an der Rechtsprechung orientiert. Die Lage ist nicht perfekt, aber auch nicht aussichtlos.
So z.B. OVG Weimar, Beschluß vom 14. 7. 2003 - 4 EO 810/02 zu einem vergleichbaren Fall:
"Gem. § 6 I EWS wird auf Antrag von der Verpflichtung zum Anschluss ganz oder zum Teil befreit, wenn der Anschluss aus besonderen Gründen auch unter Berücksichtigung der Erfordernisse des Gemeinwohls nicht zumutbar ist. Davon kann nach Auffassung des Senats jedoch nur ausnahmsweise ausgegangen werden. Das BVerwG hat zu dieser Problematik grundsätzlich ausgeführt, dass sich durch den Anschluss- und Benutzungszwang mit größtmöglicher Sicherheit eine Verunreinigung des Grundwassers durch Abwässer ausschließen lasse. Ein Verzicht auf dieses Maß an Sicherheit führe bereits zu einer dem Allgemeinwohl widersprechenden Gefährdung des Schutzgutes. Das Eigentumsrecht des Grundeigentümers, der z.B. auf seinem Grundstück eine private Kläranlage betreibe, sei von vornherein dahin eingeschränkt, dass er seine Anlage nur solange benutzen dürfe, bis die Gemeinde von der ihr gesetzlich zustehenden Befugnis Gebrauch mache, die Abwasserbeseitigung im öffentlichen Interesse in ihre Verantwortung zu übernehmen und hierfür den Anschluss- und Benutzungszwang anzuordnen. Besonderen Ausnahmefällen, in denen die Ausübung des Anschluss- und Benutzungszwangs mit Blick auf Art. 14 GG und das Verhältnismäßigkeitsgebot zu unbilligen Härten führen würde, könne durch die Möglichkeit der Befreiung vom Anschluss- und Benutzungszwang Rechnung getragen werden. Dabei dürfe insbesondere berücksichtigt werden, dass die Errichtung und der Betrieb einer zentralen Abwasserbeseitigungsanlage mit Blick sowohl auf die Gewährleistung des Gewässerschutzes als auch die Wirtschaftlichkeit einer solchen Einrichtung grundsätzlich nur bei einem Anschluss möglichst aller Grundstücke des Einzugsgebiets sinnvoll sind. Freilich könnten einzelne private Kläranlagen behördlich daraufhin überwacht werden, ob sie ordnungsgemäß funktionieren. Die durch die Prüfung entstehenden Kosten könnten auf die Betreiber privater Kläranlagen abgewälzt werden. Das alles könnte jedoch nichts daran ändern, dass die Gemeinde ihre zentrale Entwässerungsanlage so dimensionieren müsse, dass sämtliche Grundstücke im Einzugsgebiet angeschlossen werden können (Defekt oder Stilllegung der privaten Kläranlage). Die Kosten für die Vorhaltung solcher Anschlussmöglichkeiten für Grundstücke mit privaten Kläranlagen fielen entweder der Gemeinde oder den Eigentümern der an die Einrichtung angeschlossenen Grundstücke zur Last. Beides widerspräche der mit der Anordnung des Anschluss- und Benutzungszwangs neben dem Gewässerschutz bezweckten gleichmäßigen Verteilung der entstehenden Kosten auf möglichst sämtliche Grundstückseigentümer (vgl. BVerwG, NVwZ 1998, 1080[1081]).
Vor diesem Hintergrund und angesichts der Entscheidung des Landesgesetzgebers zu Gunsten einer zentralen Abwasserbeseitigung (vgl. § 58 ThürWassG) kann die Befreiung vom Anschlusszwang nur in eng begrenzten Ausnahmefällen in Betracht kommen, wenn die zur Beseitigung des Abwassers verpflichtete Gemeinde den Anschlusszwang nicht durchsetzen darf, weil er sich im Einzelfall als unverhältnismäßig darstellt (vgl. VGH München, BayVBl 1998, 721 [722]; OVG Lüneburg, NVwZ-RR 1999, 678; OVG Münster, ZfW 1997, 118 [120f.]). Hier sind keine hinreichenden Gründe dafür zu erkennen, dass der technische oder finanzielle Aufwand für den Ast. unzumutbar und die Durchsetzung des Anschlusszwangs unverhältnismäßig wäre. Das würde auch dann gelten, wenn der Anschluss nur mit Hilfe einer Hebeanlage möglich wäre. Denn eine solche Anlage gehört noch zu den standardmäßigen technischen Maßnahmen, um ein Grundstück an die öffentliche Entwässerungseinrichtung anzuschließen (vgl. auch § 9 IV EWS). Es gilt erst recht, wenn nach der Stellungnahme des Ingenieurbüros der Einbau von Rückstausicherungen oder Rückstaupumpanlagen genügt, und nur die Rohrlängen und die Bebauung des anzuschließenden Grundstücks erhöhte Kosten verursachen. Darin sind noch keine „besonderen Gründe” i.S. des § 6 I EWS zu sehen, die den Anschluss unzumutbar erscheinen ließen.
Die von dem Ast. angegebenen Kosten für den Anschluss scheinen nach den vorgelegten Kostenvoranschlägen reichlich bemessen. Doch muss dem nicht nachgegangen werden. Auch in der veranschlagten Höhe sind die Kosten noch keineswegs unverhältnismäßig. Insbesondere dürfen sie nicht absolut betrachtet werden, sondern in Relation zum anzuschließenden Grundstück. Dass der Anschluss der Grundstücke an die öffentliche Kanalisation größeren technischen Aufwand und erhöhte Kosten verursacht, hat seinen Grund vor allem in der weit überdurchschnittlichen Größe der Grundstücke. Dazu ins Verhältnis gesetzt, erscheinen die Kosten bereits unter einem anderen Licht. Die Größe macht eine lange Abwasserleitung bis zum Anschlusspunkt erforderlich. Sie ist aber auch ein wesentlicher wertbestimmender Faktor. Hinzu kommt die exponierte, etwas abgeschiedene Lage der Grundstücke. Auch dabei handelt es sich um eine besondere Eigenschaft, die - darauf deutet schon das Kartenmaterial hin - den Grundstücken einen besonderen Wohn- und höheren Verkehrswert verleiht (vgl. ähnlich OVG Hamburg, Urt. v. 8. 3. 1994 - Bf VI 31/93, zit. nach Juris).
Bei den Flurstücken a und b spricht noch ein weiterer Umstand gegen die Unzumutbarkeit des Anschlusses. Denn dem Ast. war
seit längerem aus verschiedenen Vorgängen bekannt, dass seine Grundstücke mittelfristig an das öffentliche Abwassernetz anzuschließen sein würden, wenn auf ihnen nach Durchführung baulicher Maßnahmen Abwasser anfällt und sobald der bereits geplante öffentliche Kanal mit der Möglichkeit zum Kanalanschluss geschaffen ist. Dies ergibt sich u.a. aus der wasserrechtlichen Erlaubnis vom 25. 8. 1992, der Teilungsgenehmigung vom 26. 11. 1996, der weiteren Teilungsgenehmigung vom 23. 6. 1998 und der Baugenehmigung vom 21. 3. 1996, die an den Schwiegersohn des Ast. erging. Da dies dem Ast. noch vor der Errichtung der Diskothek und vor dem Umbau der Scheune zum Wohnhaus bekannt war oder bekannt sein musste, konnte er nicht schutzwürdig darauf vertrauen, die Grube bzw. eine eigene Abwasserbehandlungsanlage länger als nur vorübergehend zu nutzen.
Die Beschwerde hat allerdings Erfolg, soweit es die Höhe des Beitrags betrifft. Es spricht vieles dafür, dass das Grundstück zu Unrecht als Innenbereichsgrundstück veranlagt wurde. Der Senat kann den Befund des VG, es sei schon im Ansatz keine Außenbereichslage zu erkennen, nicht nachvollziehen. Unerheblich ist auch, dass die untere Bauaufsichtsbehörde etwa im Bauschein vom 21. 3. 1996 von einer Innenbereichslage ausging und dieser Bescheid bestandskräftig ist. Zwar ist auch bei der Ermittlung des Beitrags eine bauplanungsrechtliche Beurteilung vorzunehmen, wenn die Bemessung der beitragspflichtigen Fläche solchen baurechtlichen Kriterien folgt. Das bauaufsichtliche Verfahren hat jedoch keine förmliche Bindungswirkung für die beitragsrechtliche Veranlagung. Die Bewertung der Bauaufsichtsbehörde ist daher nur maßgebend, soweit sie auch zutrifft. Nach summarischer Prüfung anhand der vorliegenden Akten ist allerdings davon auszugehen, dass alle drei Grundstücke vollständig im Außenbereich liegen. Der erste Blick auf das Kartenmaterial weist in diese Richtung. Auch bei näherer Betrachtung wird dieser Befund eher bestätigt.
Ein im Zusammenhang bebauter Ortsteil i.S. des § 34 BauGB setzt voraus, dass die vorhandene Bebauung den Eindruck der Geschlossenheit und Zusammengehörigkeit erweckt und Ausdruck einer organischen Siedlungsstruktur ist. Das muss wohl verneint werden. Bei den Grundstücken südlich der Straße „Vor der Pforte” handelt es sich um das Gelände einer ehemaligen LPG. Die dort befindlichen Gebäude sind offenkundig als landwirtschaftliche Wirtschaftsgebäude und Stallungen errichtet worden. Solche Gebäude können zunächst keinen im Zusammenhang bebauten Ortsteil bilden (BVerwG, DÖV 1984, 855 = NJW 1984, 1576 = NVwZ 1984, 511 L). Sie wären heute als privilegierte Außenbereichsvorhaben zu qualifizieren (§ 35 I Nr. 1 BauGB). Zwischenzeitlich sind sie für gewerbliche Zwecke (Lager, Büro, Produktion) und in mindestens einem Fall auch für Wohnzwecke umgenutzt worden. Gleichwohl können diese Gebäude keinen Bebauungszusammenhang zu den Grundstücken des Ast. herstellen. § 34 BauGB findet nur dort Anwendung, wo die vorhandene Bebauung einen städtebaulichen Ordnungsfaktor für zukünftige Bauvorhaben darstellt. Es ist aber höchst zweifelhaft, ob die südlich gelegenen Grundstücke maßstabsbildend für das historische Mühlengrundstück und das Flurstück mit der zum Wohnhaus umgebauten Scheune sein können. Soweit die Unterlagen erkennen lassen, sind die Grundstücke südlich der Straße „Vor der Pforte” nach ihrer Lage am Ortsrand, ihrer Bebauung und der Anordnung der Bebauung immer noch eindeutig als ehemaliges LPG-Gelände erkennbar. Für dieses verhältnismäßig gleichförmige Gebiet erscheint die Straße „Vor der Pforte” funktional und logisch als Abschluss. Wenn die Gebäude jetzt gewerblich genutzt werden, mag das diese Wirkung eher noch verstärken. Sofern das nach Aktenlage beurteilt werden kann, liegt es keineswegs nahe, dass sich der Eindruck der Geschlossenheit und Zusammengehörigkeit über die Straße hinweg fortsetzt und die Grundstücke des Ast. in den Bebauungszusammenhang einbezogen werden. Ob eine Straße einen Bebauungszusammenhang herstellt oder ob ihr trennende Funktion zwischen Innen- und Außenbereich zukommt, ist nach den Umständen des Einzelfalls zu beurteilen (vgl. BVerwG, NVwZ-RR 1989, 6 = BRS 48 Nr. 44). Die trennende Wirkung der Straße ergibt sich aber hier daraus, dass die Straße „Vor der Pforte” von der Ortslage ab im Wesentlichen einseitig, nämlich an der südlichen Seite bebaut ist, während nördlich davon nur vereinzelt Blockhütten stehen, bis nach einigem Abstand schließlich die Gebäude auf den Grundstücken des Ast. folgen. Wesentlich verstärkt wird die trennende Wirkung durch den laut Akten ständig wasserführenden Mühlgraben. Über diesen führen zwei Brücken, damit die Grundstücke des Ast. überhaupt von der Straße her erreichbar sind. Der Graben hat ausweislich des Kartenmaterials eine Gesamtbreite ähnlich der Straße, umgibt die Grundstücke des Ast. zumindest teilweise und grenzt sie so vom ganzen südlichen Gelände und nicht nur von der südlichen Bebauung ab. Wenn die Grundstücke des Ast. an dem Bebauungszusammenhang südlich der Straße nicht teilnehmen, so sind sie auch für sich genommen nicht in der Lage, einen im Zusammenhang bebauten Ortsteil zu bilden. Dazu reicht die aufstehende Bebauung von lediglich drei Hauptgebäuden nicht aus (vgl. BVerwG, NVwZ-RR 1994, 555 = UPR 1994, 305).
Das Grundstück ist demnach (insgesamt) als Außenbereichsgrundstück gem. § 6 V der Beitrags- und Gebührensatzung zur EWS zu veranlagen. Dabei bemisst sich die beitragspflichtige Grundstücksfläche nach der Grundfläche der an die Abwasseranlage angeschlossenen Baulichkeiten geteilt durch die Grundflächenzahl 0,5. Die Ag. hat den sich daraus ergebenden Beitrag auf Anforderung des Senats errechnet. Insoweit sind Bedenken weder ersichtlich noch vorgetragen."
Wie Sie erkennen, kann in Einzelfällen der Betrag komplett entfallen, falsch berechnet oder wegen der Außenbereichslage zu ermäßgen sein.
Mit freundlichen Grüßen
Daniel Saeger
- Rechtsanwalt -
Sie haben eine Frage im Bereich Verwaltungsrecht?
Raten Sie nicht weiter!
Unsere Rechtsanwält*innen geben Ihnen gerne eine kostenlose
Ersteinschätzung zu Ihrem Anliegen.
Jetzt kostenlose Ersteinschätzung einholen
MfG H. K.
die gleichen Erwägungen gelten leider erst recht für die anderen Erschließungsmaßnahmen.
MfG
RA Saeger