Erbrecht bei Hartz4
Fragestellung
Sehr geehrte Frau True-Bohle,
Ich habe eine Frage, die das Erbrecht, sowie auch das Sozialrecht betrifft.
Zu der Situation:
Ich (86, weiblich) lebe mit meinen beiden Töchtern (weitere Kinder existieren nicht) in einem selbstgenutzten, bezahlten und schuldenfreien 2-Familienhaus (WFL 170m², Grundstück 1200m²).
Tochter1 (58, unverheiratet) arbeitet, lebt in einer abgeschlossenen Wohnung im 1.OG.
Tochter2 (54, unverheiratet) bezieht Hartz4 (nur Grundbehalt), pflegt mich und lebt in einer abgeschlossenen Wohnung im DG. Sie ist in geringfügigem Maß nebenberuflich freiberuflich tätig (max. 400 € monatl.) was mit dem Hartz4-Satz verrechnet wird.
Das Haus ist Gemeinschaftseigentum und gehört zur Hälfte meiner Tochter1, die andere Hälfte gehörte zu je einem Viertel mir und meinem Mann und nun seit dem Tod meines Mannes (2012) ganz mir, weil er mir seinen Anteil per Berliner Testament vermacht hat. Das Testament ist nicht notariell hinterlegt, die Eintragung im Grundbuch auf mich ist noch nicht erfolgt.
Laut diesem Testament sollen beide Töchter nach meinem Ableben meinen Anteil am Haus zu gleichen Teilen erben. Das bedeutet also, meiner Tochter1 würde ein Anteil von 3/4 und meiner Tochter2 ein Anteil von 1/4 am Gesamteigentum gehören.
Die Befürchtung ist, dass meine Töchter im Erbfall Schwierigkeiten durch Hartz4 bekommen könnten in der Art, dass das Amt meine Tochter2 zwingen könnte, ihren Anteil am Haus zu verkaufen, oder meine Tochter1 gezwungen ist, Tochter2 auszuzahlen. Ich möchte keine meiner beiden Töchter benachteiligen, jede soll ihren Anteil am Erbe erhalten, der Zugriff des Jobcenters auf Anteile am Haus soll so weit wie möglich vermieden werden.
1) Was können sie mir raten?
2) Muss es eine Betreuungsverfügung geben, in der Tochter2 offiziell als Betreuungskraft eingetragen ist und die notariell hinterlegt sein muss?
Vielen Dank im Voraus und mit freundlichen Grüssen,
E.W.
Hinweis: Die Frage und Antwort wurde anonymisiert und mit Erlaubnis des Kunden veröffentlicht. Ihre eigene Frage wird standardmäßig nicht veröffentlicht.
Antwort von Rechtsanwältin Sylvia True-Bohle
Sehr geehrte Ratsuchende,
bei dieser Art eines Testementes ist die Erbfolge vorgegeben, so dass Sie dort leider nichts mehr ändern können und die Töchter würden entsprechend der testamentarischen Verfügung auch erben. Das wird also Fakt bleiben.
Gleichwohl werden Ihre Töchter keine Schwierigkeiten zu befürchten haben:
Tochter1 kann nicht vom Amt gezwungen werden, ihre Schwester (Tochter2) auszuzahlen oder das Haus etwa zu bekaufen. Solche Rechte hat das Amt nicht.
Das Amt kann auch nicht Ihre Tochter2 zwingen, ihren Anteil zu verkaufen.
Auch bei Hartz4 (SGBII) steht Ihrer Tochter2 ein angemessener Wohnraum zu, der nicht zu verwerten ist.
Und wenn Sie schreiben, dass Tochter2 dort jetzt schon wohnt, wird sie dort auch wohnen bleiben, ohne dass das Amt den Verkauf/die Verwertung anstreben kann.
Allerdings wird Tochter2 dann dort ja mietfrei wohnen, so dass sie sich bei der Berechnung des Beihilfe dieses Wohnvorteil wird anrechnen lassen müssen. Auch das ist nicht zu verhindern.
Aber Tochter2 kann dann die Kosten der Immobile (laufende Kosten, Reparaturen) dieser Anrechnung entgegensetzen.
Sofern Tochter2 Sie pflegt, sollte ein Antrag auf Pflegegeld bei der Krankenkasse gestellt werden.
Für Rückfragen stehe ich zur Verfügung.
Mit freundlichen Grüßen
Rechtsanwältin
Sylvia True-Bohle
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vielen Dank für die schnelle Antwort. Dennoch haben wir Rückfragen an Sie.
1) Gilt das Testament auch uneingeschränkt, obwohl es nicht notariell hinterlegt worden ist?
2) Wäre es besser, das Haus auf Tochter1 zu überschreiben, um ggf. Schwierigkeiten mit dem Jobcenter aus dem Weg zu gehen?
3) Ist es nötig, die Betreuung in einer notariell hinterlegten Betreuungsverfügung festzuschreiben?
Mit freundlichen Grüßen,
E.W.
zu Ihren Nachfragen folgende Antworten:
1.)
Ein Testament ist auch ohne notarielle Hinterlegung wirksam; sogar ein handschriftliches Testament hat also die volle Rechtswirksamkeit.
Und ein solches Testament kann dann nur durch neues Testament geändert werden. Und das ist hier nicht mehr möglich, da ein Testamenterrichter (Ihr Ehemann) nicht mehr lebt, aslo seinen letzten Willen nun nicht mehr abändern kann.
Das Testament mit der Erbeinsetzung der Töchter gilt also (sofern nicht andere Faktoren eine Rolle spielen, z.B. Geschäftsunfähigkeit bei Testamentserrichtung, unwirksame Unterschrift etc.).
2.)
Eine Überschreibung würde dem Testament widersprechen, so dass ein Notar die (notwendige) Beurkundund nicht vornehmen darf und wird.
Zudem würde das Amt dann auch ein Anfechtungsrecht haben.
Daher ist diese Alternative wenig erfolgsversprechend.
3.)
Die Betreuung ist auch ohne notarielle Betreuungsverfügung wirksam; insoweit sollten Sie sich dann weitergehend zur erstellung eines solchen Vertrages und auch Antrages beraten lassen.
Mit freundlichen Grüßen
Rechtsanwältin
Sylvia True-Bohle