Anfrage wegen Ruhestörung
Fragestellung
Sehr geehrter Herr Liedtke,
Anbei der zweite Anlauf wie besprochen.
Herzlichen Dank und Grüße,
Rainer Müller
Hinweis: Die Frage und Antwort wurde anonymisiert und mit Erlaubnis des Kunden veröffentlicht. Ihre eigene Frage wird standardmäßig nicht veröffentlicht.
Antwort von Rechtsanwalt Lars Liedtke
Sehr geehrter Ratsuchender,
Ihre Frage nach den möglichen Vorgehensweisen bezüglich der auftretenden Ruhestörungen, ist - zumindest praxisrelevant - nicht leicht zu beantworten:
Zunächst ist erst einmal zu klären, inwieweit Ihnen behördlicherseits und/oder auf dem Zivilrechtsweg geholfen werden kann. Sie hatten mitgeteilt, dass die Behörden ein Einschreiten inzwischen zurückweisen und anführen, dass keine Behörde privatrechliche Belange regeln könne. In der Tat werden bei Nachbarschaftsstreitigkeiten häufig verfehlt die Ordnungsbehörden eingeschaltet. Aber hier geht es ja nicht um zwei Nachbarn, die sich über den Gartenzaun anschreien o.ä. Denn umgekehrt kann auch kein Zivilrichter eine priavtrechtliche Auseinandersetzung entscheiden und dadurch für die Einhaltung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung sorgen, die ist nun einmal ureigene behördliche Aufgabe.
Gern werde ich Ihnen sogleich die erbetenen zivilrechtlichen Möglichkeiten aufzeigen, möchte mir aber vorher klar den Hinweis erlauben, dass m.E. eindeutig die Ordnungsbehörden in der Pflicht sind und deren Verweigerung allenfalls für ihre Überforderung spricht. § 117 OwiG regelt, dass es sich bei unzulässigem Lärm um eine Ordnungswidrigkeit handelt, die mit einer Geldbuße von bis zu 5.000 € geahndet werden kann. Die Durchsetzung obliegt den Ordnunsgbehörden nach Maßgabe der jeweiligen Landesgesetzgebung. Es kann doch nicht angehen, dass bei einer eimaligen Geburtstagsparty, die etwas lauter wird, die Polizei erscheint und Sanktionen androht oder verhängt, dies aber in Ihrer Situation ein rein zivilrechtliches Problem sein soll. Ganz im Gegenteil: Erst recht wenn dort 60 Personen wohnen, muss die Polizei bei Ruhestörung eine Anzeige aufnehmen und einschreiten. Notfalls müssen immer wieder Geldbußen verhängt werden. Ich empfehle dringend, weiterhin bei jeder Akutsituation wiederum die Polizei zu rufen und darauf zu bestehen, dass entsprechend eingeschritten wird oder dass zumindest Ihre Anzeige aufgenommen wird (letzteres kann wiederum als Beweismittel in einem Zivilprozess bedeutsam werden).
Wenn Sie zivilrechtliche Unterlassungsansprüche geltend machen wollen, ist vorweg zu erwähnen, dass damit ein Kostenrisiko einhergeht - anders als bei dem Einschrieten der Ordnungsbehörden. Sodann stellt sich die Frage, gegen wen Sie die Unterlassungsansprüche richten könnten. In Betracht kommen einerseits die sog. Handlungsstörer, also die konkreten Bewohner, die die Ruhestörung verursachen. Dabei bereits zeigt sich, dass in dieser Konstellationen das Zivilrecht an seine Grenzen stößt: Wenn dort eine 4-köpfige Familie wohnen würde, könnte es effektiv sein, diese Personen zu verklagen. Aber auch dann müssten Sie nachweisen, welches Familienmitglied wann welche konkrete Ruhestörung begangen hat. Wenn dort nun aber 60 Personen wohnen, ist es kaum möglich diese alle zu verklagen. Bereits rein praktisch wird es Ihnen wohl nicht gelingen, alle Personen mit Vor- und Zunamen in der Klageschrift anzugeben. Hinzu kommt der ständige Wechsel der Bewohner, der dazu führen würde, immer wieder klagen zu müssen. Weiter stellt sich das Problem der Beweislast: Je mehr Bewohner dort sind, desto schwieriger dürfte der Beweis werden, wer wann welche Störung begangen hat.
Andernfalls könnten Sie auch versuchen, den sog. Zustandsstörer in Anspruch zu nehmen, also den Eigentümer, von dessen Grundstück die Störungen ausgehen. Dieser wiederum ist aber gar nicht in der Lage, gegen die einzelnen Handlungsstörer vorzugehen, weil er selbst ja gar nicht Vermieter ist, also auch keine Vertragsverletzungen abmahnen oder aber mit Kündigungen sanktionieren könnte. Ein solches Vorgehen gegen den Eigentümer könnte allenfalls darauf gerichtet werden, dass der Eigentümer durch Urteil verpflichtet würde, auf den Pächter/Vermieter einzuwirken, dass dieser auf die Mieter einwirken möge.
Eine Klage, den Eigentümer zu verpflichten, das Pachtverhältnis zu kündigen, ist wiederum sehr schwierig, weil der Pächter selbst aber keine Pflichten dem Verpächter gegenüber verletzt. Umgekehrt stellt seine Art der Vermietung (matratzenweise an eine Vielzahl von Personen) aber gerade das Kernproblem dar. Ein solches gerichtliches Vorgehen käme zwar theoretisch in Betracht; praktisch ist mir aber kein Urteil bekannt, das eine solche Konstellation zum Gegenstand hätte. Wenn ein solcher Rechtsstreit gewonnen würde, hätte man aber immer noch das Problem, dass sich die Mieter auf einen Mietvertrag stützen könnten, der gesondert gekündigt werden müsste. Im Zweifel müsste dann jeder Bewohner vom Eigentümer auf Räumung verklagt werden.
Aus meiner Sicht bietet Ihnen als Nachbarn der Zivilrechtsweg keinen effektiven Rechtsschutz, weder gegen die Hanldungs- noch gegen den Zustandsstörer.
Ich gehe davon aus, dass der Pächter/Vermieter an der Situation auch nichts würde ändern wollen, da er so ja eine prima Einnahmequelle hat. Wie sieht es denn mit dem Grundstückseigentümer aus? Falls diesem der Zustand ebenfalls missfällt und man an einem Strang ziehen würde, könnte dieser versuchen, den Pachtvertrag zu kündigen und im Falle eines Gerichtsprozesses könnte er sich auf die Nachbarschaft als Zeugen stützen. Für die konkreten Lärmbelästigungen könnten dann auch etwaige Anzeigen und polizeilichen Protokolle dienen.
Eine einfache und sichere Möglichkeit, wie Sie kurzfristig Ruhe und Frieden erreichen könnten, sehe ich leider nicht.
Mit freundlichen Grüßen
Lars Liedtke
Rechtsanwalt
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