Lohnfortzahlung im Krankheitsfall
Fragestellung
Ich arbeite als Angestellter in einem Unternehmen der Chemischen Industrie.
Mein AT-Arbeitsvertrag regelt schriftlich, dass mir der Arbeitgeber im Krankheitsfall eine volle Lohnfortzahlung über 6 Monate, bei gleicher Krankheit, gewährt (also nicht nur die gesetzlichen 6 Wochen).
Ich bin vor einiger Zeit an MS erkrankt und habe derzeit einen GdB von 60%.
Mein Arbeitgeber sagte mir, dass bei seiner 6 monatigen Lohnfortzahlung die Ausfalltage der letzten 3 Jahre zusammengezählt und auf diese 6 Monate angerechnet werden.
Ich muss vierteljährlich zur neurologischen Behandlung, bekomme Infusionen, die mein Immunsystem dämpfen, und dann eine entsprechende AU Schreibung.
Im Dezember 2019 war ich letzmalig wegen meiner MS Erkrankung AU geschrieben. Die aufaddierten AU Tage der letzen 3 Jahre (2017-2019) ergaben ca. 6 Monate Ausfallzeit und wurden vom Arbeitgeber anstandslos mit 100% Lohnfortzahlung vergütet.
Ich habe gelesen:
...Der gesetzliche Anspruch auf Entgeltfortzahlung ist bei einer Erkrankung des Arbeitnehmers auf längstens sechs Wochen begrenzt. Arbeits- oder Tarifverträge können einen längeren Anspruch vorsehen. Wird der Arbeitnehmer infolge derselben Krankheit erneut arbeitsunfähig, kann der Arbeitgeber die Erkrankungen zusammenrechnen, wenn
1.der Arbeitnehmer vor der erneuten Arbeitsunfähigkeit infolge derselben Krankheit nicht mindestens sechs Monate arbeitsfähig war oder
2.seit Beginn der ersten Arbeitsunfähigkeit infolge derselben Krankheit eine Frist von zwölf Monaten noch nicht abgelaufen ist...
Ich war dieses Jahr erneut, im März 2020, in neurologischer Behandlung, habe dafür aber Jahresurlaub genommen, also den vom Neurologen erhaltenen Krankenschein weder beim Arbeitgeber, noch bei der Kasse eingereicht, also auch kein "Krankengeld" bekommen.
Mein nächster Behandlungstermin in der Neurolgie steht bereits fest.
Er beginnt am 01.07.2020.
Damit bin ich dann 6 Monate, also vom 01.01.20-30.06.20, nicht wegen der gleichen Krankheit, multiple Sklerose, AU gewesen.
Ich war aber im April 2020 2 Wochen AU wegen Erkältung.
Beginnt ab 01.07.2020 meine arbeitsvertraglich garantierte 6 monatige Lohnfortzahlung für die gleiche Krankheit erneut, oder rechnet mein Arbeitgeber dies dann mit den bisherigen Ausfällen durch multiple Sklerose bis 12/2019 zusammen?
Spielt meine 2 wöchige AU durch Erkältung, in 04/2020, eine Rolle?
MfG
J. M.
Hinweis: Die Frage und Antwort wurde anonymisiert und mit Erlaubnis des Kunden veröffentlicht. Ihre eigene Frage wird standardmäßig nicht veröffentlicht.
Antwort von Rechtsanwältin Uta Ordemann
Sehr geehrter Herr M.,
vielen Dank für Ihre Anfrage, zu der Folgendes anzumerken ist:
Die Frist gemäß § 3 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 EFZG ist hier eingehalten, da zwischen der letzten AU wegen derselben Erkrankung 6 Monate verstrichen sind. Nach dieser Regelung würde damit der erneute Entgelftfortzahlungsanspruch ab dem 1. Juli 2020 greifen.
§ 3 Abs. 1 Satz 2 EFZG enthält aber eine Oder-Regelung, so dass auch die zweite Voraussetzung gemäß der Nr. 2 erfüllt sein muss, damit der erneute Entgeltfortzahlungsanspruch greift. Hinter dieser Regelung steht der Wille des Gesetzgebers, dass ein Arbeitnehmer in einem 12-Monatszeitraum nur einen Anspruch auf Entgeltfortzahlung für insgesamt 6 Wochen wegen derselben Krankheit in diesem Zeitraum haben soll. Der Arbeitgeber soll insoweit vor einer Überforderung geschützt werden. Ist dieser 6-Wochen-Zeitraum in den letzten 12 Monaten seit Eintritt der ersten AU bereits ausgeschöpft worden, besteht kein erneuter Anspruch auf Entgeltfortzahlung, wenn die Arbeitsunfähigkeit vor Ablauf des 12-Monatszeitraums erneut auftritt; denn dann sind die 6 Wochen bereits ausgeschöpft worden (siehe auch BAG-Urteil vom 14.03.2007 - 5 AZR 514/06).
Hier steht Ihnen vertraglich aber eine Entgeltfortzahlung nicht nur für die Dauer von 6 Wochen, sondern für einen Zeitraum von insgesamt 6 Monaten in einem 12-Monatszeitraum gemäß der vertraglichen Vereinbarung zu. Dieser Anspruch von 6 Monaten ist hier in den letzten 12 Monaten noch nocht ausgeschöpft worden, so dass nur die Zeiten anrechenbar sind, für die der Arbeitgeber wegen derselben Erkrankung in den letzten 12 Monaten vor Eintritt der neuen Arbeitsunfähigkeit bereits Entgeltfortzahlung geleistet hat. Arbeitsunfähigkeitszeiten, die auf einer anderen Erkrankung beruhen, bleiben dabei grundsätzlich unberücksichtigt, da nach dem Wortlaut der Vorschrift nur solche Zeiten anrechenbar sind, die auf derselben Erkrankung beruhen. Ich gehe davon aus, dass bei der AU im April d.J. wegen der Erkältung von Ihrem Arzt ein anderer Diagnoseschlüssel gegenüber der Krankenkasse angegeben worden ist als bei den Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen wegen der MS. Dann wäre diese Zeit bei der Gesamtzeit der zu leistenden Entgeltfortzahlung von 6 Monaten in einem 12-Monatszeitraum auch nicht zu berücksichtigen.
Die Annahme des Arbeitgebers, dass hier auf den letzten 3-Jahres-Zeitraum abzustellen ist, ist damit nicht korrekt. Dies geht auch aus dem oben aufgeführten Urteil des BAG hervor.
Falls noch Fragen hierzu bestehen, melden Sie sich gern.
Mit freundlichen Grüßen
Uta Ordemann
Rechtsanwältin
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