Betriebsveräußerung oder Betriebsaufgabe und Freibetrag nach § 16 Abs. 4 EStG
Fragestellung
Ein Rentner betreibt einen kleinen Handwerksbetrieb im Nebenerwerb und will diesen nunmehr aus
Altersgründen einstellen. Für den Fall, dass ein Käufer für die Produktion gefunden werden sollte,
würde es sich wohl um eine Geschäftsveräußerung im Ganzen nach § 16 Abs. 1 EStG und § 1 Abs. 1a
UStG handeln, auch wenn die zu Hause eingerichtete Werkstatt nicht übergeben werden kann. Zu den
wesentlichen Betriebsgrundlagen gehören Produktionsausstattung, Kundenstamm und Know-how.
Der Zeitpunkt der Veräußerung bedeutet gewöhnlich das Ende der laufenden gewerblichen Tätigkeit,
auf den hin nach § 16 Abs. 2 EStG aber auch § 6 Abs. 2 EStDV eine Schlussbilanz erstellt werden muss.
1.) Wie verhält es sich aber, wenn die gewerbliche Tätigkeit erst 3 bis 4 Monate nach einem solchen
Übergangsstichtag eingestellt würde, um Aufräumarbeiten durchzuführen, Verträge usw. abzuwickeln?
Werden nachträgliche Betriebsausgaben bei der Ermittlung des laufenden Gewinns berücksichtigt?
2.) Wirtschaftsgüter, die nicht veräußert werden, wie die Werkstatt, müssten aber bereits mit der
Betriebsveräußerung in das Privatvermögen überführt werden, um mit dem Freibetrag nach § 16 Abs. 4
EStG die Besteuerung sowohl eines Veräußerungserlöses, als auch dieser stillen Reserven abzufedern?
3.) Oder ist es unter den vorgenannten Gesichtspunkten ganz und gar empfehlenswerter respektive
unkomplizierter, einen Verkauf der Produktion nicht als Betriebsveräußerung im Ganzen, sondern als
Verkauf einzelner Betriebsgrundlagen und somit im Rahmen einer Betriebsaufgabe zu realisieren?
Hinweis: Die Frage und Antwort wurde anonymisiert und mit Erlaubnis des Kunden veröffentlicht. Ihre eigene Frage wird standardmäßig nicht veröffentlicht.
Antwort von Steuerberater Björn Balluff
Sehr geehrter Ratsuchender,
1) die Veräußerung der wesentlichen Betriebsgrundlagen muss in einem einheitlichen Vorgang geschehen. In der Rechtsprechung wird hier eine Frist von 14 Monaten noch als angemessen angesehen (BFH VI 118, 119/65 v. 16.9.66, BStBl III 67, 70; zu kurz bemessen ist der Zeitraum von sechs Monaten nach BFH IV 350/64 v. 25.6.70, BStBl II 70, 719).
Bei Veräußerung der wesentlichen Betriebsgrundlagen in einem Akt und lediglich die Abwicklung noch verbleibender unwesentlicher Vorgänge, stellt eine Veräußerung im Ganzen dar.
2) wenn die Werkstatt sich als unwesentliche Betriebsgrundlage herausstellen sollte, muss diese nicht nicht mitveräußert werden, stattdessen ist diese ins Privatvermögen zu überführen. Passiert dies erst im Zuge der Einstellung des Betriebs, sind die stillen Reserven, die in der Werkstatt enthalten sind, aufzudecken.
Dienten in das Privatvermögen überführte Wirtschaftsgüter, die keine wesentl. Betriebsgrundlagen waren, vor der Veräußerung dem Betrieb, ist dem Veräußerungsgewinn der gemeine Wert dieser Wirtschaftsgüter zuzurechnen (BFH VIII R 142/84 v. 3.10.89, BStBl II 90, 420; XI R 22/98 v. 10.3.99, BStBl II 99, 523). Es liegt demnach insgesamt (einschließlich Privatentnahme) ein begünstigter Veräußerungsgewinn vor.
Wird ein Betrieb nicht innerhalb einer „angemessenen Frist“, sondern allmähl. abgebaut oder aufgelöst, liegt keine tarifbegünstigte Betriebsaufgabe nach § 16 Abs. 3 vor (BFH IV 210/62 S v. 7.11.63, BStBl III 64, 70; vgl. auch BFH X R 31/95 v. 26.2.97, BStBl II 97, 561). Der Gewerbebetrieb ist in diesen Fällen, unbeschadet der Einstellung der eigentl. werbenden Tätigkeit, bis zur Beendigung der Auflösung oder Abwicklung als fortbestehend (d. h. als lfd. Betrieb) zu behandeln (BFH VI 170/62 U v. 29.11.63, BStBl III 64, 45).
Für eine begünstigte Betriebsaufgabe müsste die gewerbliche Tätigkeit eingestellt werden und die stillen Reserven in einem Vorgang aufgedeckt werden. Wenn Sie innerhalb angemessener Frist die einzelnen Wirtschaftsgüter veräußern, läge noch eine begünstigte Betriebsaufgabe vor. Anderenfalls (bei zu langer Streckung der Veräußerung) liegt nur ein lfd. Gewinn aus Gewerbebetrieb vor. Die Verteilung über 2-3 Jahre wäre sicherlich zu lang. In der Regel sollte dies nach 6 Monaten abgewickelt sein. Es wird jedoch (siehe oben) im Einzelfall auch eine längere Frist anerkannt.
Ich hoffe, dass ich Ihnen mit diesen Ausführungen weiterhelfen konnte. Für weitere Rückfragen stehe ich Ihnen gerne per Kommentarfunktion zur Verfügung. Über eine positive Bewertung würde ich mich sehr freuen.
Mit freundlichen Grüßen,
Björn Balluff
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1.) die Schlussbilanz auf den Zeitpunkt der Veräußerung nach § 16 Abs. 2 EStG müsste demnach nicht bereits auf den Übergangsstichtag der Produktion, sondern könnte auf das 3 bis 4 Monate spätere Ende der gewerblichen Tätigkeit hin, nach Abschluss der Abwicklung, erstellt werden?
2.) Die Besteuerung der, erst zum Ende der gewerblichen Tätigkeit, in das Privatvermögen überführten Wirtschaftsgüter, wie Werkstatt oder Betriebs-Pkw, wäre also, genauso wie ein möglicher Erlös aus der Betriebsveräußerung im Ganzen, durch den „einmaligen“ Freibetrag nach § 16 Abs. 4 EStG begünstigt?
3.) Die Betriebsausgaben bis zum Ende der gewerblichen Tätigkeit würden, auch wenn diese nach der Betriebsveräußerung anfallen, ganz normal bei der Ermittlung des „laufenden“ Gewinns berücksichtigt?
Mit freundlichen Grüßen
entschuldigen Sie bitte, dass ich Ihnen erst jetzt antworte.
Die Schlussbilanz ist auf den Übergangsstichtag der Produktion zu erstellen. In dieser sind dann auch Rückstellungen für die Abwicklungskosten aufzunehmen.
Die Privatentnahmen von Werkstatt und PKW sind im Rahmen des Freibetrags gem. § 16 Abs. 4 EStG begünstigt, wenn der zeitliche Rahmen (siehe meine Antwort dazu) eingehalten wird.
Da Sie eine Schlussbilanz auf den Veräußerungszeitpunkt des Betriebs erstellen müssen, würden Sie dort die voraussichtlichen Kosten in Form von Rückstellungen berücksichtigen (oder Verbindlichkeiten). Sollte es tatsächlich zu höheren Zahlungen kommen, würden diese als nachträgliche Betriebsausgaben dem laufenden Gewinn zugerechnet werden.
Mit freundlichen Grüßen,
Björn Balluff