Werbungskosten
Beantwortet von Steuerberater Dipl-Finanzwirt Jeannette Klüsener
Fragestellung
Sehr geehrte Frau Uhlig,
ich fasse mein Anliegen wie folgt so kurz wie möglich zusammen:
In der Einkommensteuererklärung 2014 habe ich für die Fahrten von Meinem Wohnsitz zu meinem Dienstsitz 220 Tage x 105 KM x 0,3€ angesetzt. Da ich im Formular die Eintragung in der Spalte "davon mit öffentlichen Verkehrsmitteln, Motorrad, Fahrrad o.Ä., als Fußgänger, als Mitfahrer einer Fahrgemeinschaft zurückgelegt" vorgenommen habe, wurden die Werbungskosten folglich auf € 4.500,- begrenzt.
Das Finanzamt forderte von mir dieses Jahr umfangreiche Nachweise und Dokumentationen an. Im Zusammenhang mit der Entfernungspauschale wird gefordert:
1. Nachweis Arbeitgeber über 220 Tage
2. Erläuterung wie ich von meinem Wohnort zum Dienstsitz gefahren bin. (Tickets öffentlicher Verkehrsmittel + Zahlungsnachweise, bei Fahrgemeinschaft Nennung aller Mitfahrer incl. Anschrift)
Zu1 :
Den Nachweis des AG kann ich vorlegen. Ggf. bestätigt er mir weniger Tage, da ich nicht an der Zeiterfassung teilnehme und er rückblickend keine Kenntnis / Übersicht über Homeofficetage o.ä. hat. Da die Werbungskosten (wegen öffentlicher Verkehrsmittel) ohnehin auf € 4.500 begrenzt sind, würde es m.E. sogar ausreichen, wenn mir 145 Tage bestätigt werden (145 Tage x 105 KM X 0,3€ = 4.567,-€). Soweit nach meinem Verständnis unproblematisch, oder?
Zu 2:
Der AG stellt mir für meine Dienstreisen mit der Bahn eine Bahncard 100 (Bundesweite Bahnflatrate) zur Verfügung. Die Kosten der Bahncard belaufen sich auf 4.090,- € pro Jahr. Als Eigenbeteiligung zieht mir der Arbeitgeber monatlich 105 ,- € vom Nettogehalt ab (1.260,- € pro Jahr). Die Bahncard wird mir vom AG unter der Bedingung zur Verfügung gestellt, dass ich am Ende des Jahres per Aufstellung nachweise, dass meine im Rahmen von Dienstreisen entstandenen Bahnkosten mindestens die vom AG zu tragenden Kosten (2830,- €) erreichen oder übersteigen!
Frage: Wenn mir der AG die unter 2. aufgeführte Konstellation bestätigt: Ist dies steuerlich "unkritisch" im Sinne, dass das FA die Entfernungspauschale in Höhe von 4.500,- € anerkennt oder "droht" hier eine Kürzung der Entfernungspauschale durch steuerfreie Arbeitgeberleistungen oder ähnliches? Besteht dem FA gegenüber überhaupt eine Nachweispflicht, wie ich zu meinem Dienstsitz gekommen bin oder muss die Bescheinigung des AG über die Anzahl der Tage genügen?
Besten Dank im Voraus und freundliche Grüße
J. M.
Hinweis: Die Frage und Antwort wurde anonymisiert und mit Erlaubnis des Kunden veröffentlicht. Ihre eigene Frage wird standardmäßig nicht veröffentlicht.
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Antwort von Steuerberater Dipl-Finanzwirt Jeannette Klüsener
Sehr geehrter Ratsuchende,
vielen Dank für Ihre Anfrage. Ich möchte Ihnen nachfolgend im Rahmen einer Erstberatung einen Überblick über die steuerlichen Besonderheiten Ihres vorgetragenen Sachverhalts geben:
Nach § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4 Satz 1 EStG sind Werbungskosten auch die Aufwendungen des Arbeitnehmers für die Wege zwischen Wohnung und erster Tätigkeitsstätte. Zur Abgeltung dieser Aufwendungen ist für jeden Arbeitstag, an dem der Arbeitnehmer die erste Tätigkeitsstätte aufsucht eine Entfernungspauschale für jeden vollen Kilometer der Entfernung zwischen Wohnung und erster Tätigkeitsstätte von 0,30 Euro anzusetzen, höchstens jedoch 4 500 Euro im Kalenderjahr. Ein höherer Betrag als 4 500 Euro ist anzusetzen, soweit der Arbeitnehmer einen eigenen oder ihm zur Nutzung überlassenen Kraftwagen benutzt.
Arbeitnehmer, die mit dem Motorrad / Moped, Fahrrad oder im Rahmen einer Fahrgemeinschaft zur Arbeit fahren, können maximal € 4.500,00 (= Kostendeckelung) als Werbungskosten ansetzen.
Werden die öffentlichen Verkehrsmittel genutzt, können die tatsächlichen Kosten per Beleg nachgewiesen oder (!) per Entfernungspauschale max. € 4.500,00 angesetzt werden. (§ 9 Abs. 2 Satz 2 EStG).
Wenn Sie aber mit Ihrem eigenen oder einem zur Nutzung überlassenen Pkw (Dienst- oder Firmenwagen) zur Arbeit gefahren sind, berücksichtigt das Finanzamt grundsätzlich auch einen höheren Betrag.
Als Grundlage habe ich Ihnen ein BMF-Schreiben beigefügt.
Leider kann ich aus Ihrer Darstellung nicht erkennen, wie das Finanzamt konkret auf die Nachfrage kommt. Hat Ihr Arbeitgeber auf Ihrer Lohnsteuerjahresbescheinigung die Erstattung des Fahrtkostenzuschusses bescheinigt? Dies muss der Arbeitgeber machen. Dann werden auch die Aufwendungen für Fahrtkosten um diesen bescheinigten Betrag vom Arbeitgeber gekürzt.
Haben Sie irgendwo angegeben, dass Sie Homeoffice machen, so dass die Arbeitstage seitens des Finanzamtes in Frage stehen, an denen Sie Ihre Tätigkeitsstätte aufgesucht haben? Oder haben Sie in Ihrer Steuererklärung mehrere Tage für Reisekosten, Verpflegungsmehraufwendungen etc. angegeben, so dass das Finanzamt die Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte hinterfragt?
Oder hinterfragt das Finanzamt die Entfernungskm von 105, da diese schwerlich mit dem Fahrrad oder zu Fuß täglich bewältigt werden kann?
Inwieweit haben Sie Aufwendungen für öffentliche Verkehrsmittel, wenn Ihr Arbeitgeber die Bahncard 100 zahlt? Haben Sie Aufwendungen für den Nahverkehr: Bus, U-Bahn etc?
Insoweit sollte dann auch die Antwort an das Finanzamt formuliert sein.
Die Entfernungspauschale ist grundsätzlich unabhängig vom Verkehrsmittel zu gewähren. Ihrem Wesen als Pauschale entsprechend kommt es grundsätzlich nicht auf die Höhe der tatsächlichen Aufwendungen an.
Viele Finanzämter fordern keine umständlichen Berechnungen oder gar Nachweise, wenn Sie bei einer 5-Tage-Woche 230 Tage und bei einer 6-Tage-Woche 280 Tage ansetzen. Sie haben hierauf aber keinen Rechtsanspruch. Letztlich richtet sich die Zahl der Arbeitstage nach Ihren individuellen Verhältnissen.
Ein Nachweis vom Arbeitgeber über die Arbeitstage reicht grundsätzlich aus.
Wenn Ihr Arbeitgeber Ihnen weitaus weniger Arbeitstage bescheinigt, als Sie in Ihrer Steuererklärung angegeben haben, sieht das ein wenig ungünstig aus.
Der Arbeitnehmer muss nur nachweisen oder glaubhaft machen, dass er die Fahrten zwischen Wohnung und regelmäßiger Arbeitsstätte mit dem eigenen oder ihm zur Nutzung überlassenen Kraftwagen zurückgelegt hat. Ein Nachweis der tatsächlichen Aufwendungen für den Kraftwagen ist für den Ansatz eines höheren Betrages als 4 500 Euro nicht erforderlich.
Hier möchte ich auf das BMF-Schreiben siehe Punkt 1.3 und 1.6 verweisen.
Glaubhaftmachung:
Teilen Sie dem Finanzamt mit, dass Sie ein Fahrzeug von dann bis dann auf Ihren Namen angemeldet haben, fügen Reparaturrechnungen bei.
Haben Sie Tankrechnungen im Laufe des Jahres?
Erläutern Sie dem Finanzamt, wann Sie ein Fahrzeug nutzen, vielleicht ist die Nutzung mit öffentlichen Verkehrsmitteln auch manchmal ungünstig. Sie sind dann auf das Fahrzeug angewiesen: Transport von Akten, Arbeitsmitteln, müssen Ihr Kind auf der Wegstrecke (kein Umweg) in die Schule/Kita etc. bringen, müssen telefonisch immer erreichbar sein und das geht nur im Fahrzeug etc.
Sind Sie vielleicht mit dem Taxi mal ausnahmsweise gefahren?
Ich hoffe, meine Antwort hat Ihnen weitergeholfen und konnte Ihnen einen ersten Überblick über die Problematik verschaffen.
Mit freundlichen Grüßen
Jeannette Uhlig, Steuerberaterin
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besten Dank für Ihre Ausführungen. Folgende Anmerkung bzw. Nachfragen:
Eine Eintragung vom Arbeitgeber in die Lohnsteuerjahresbescheinigung erfolgte nicht, da die Gestellung der Bahncard vom AG als "steuerfreier Reisekostenersatz" gesehen wird (Grund: Kosten meiner Dienstreisen mit der Bahn mindestens so hoch wie der Wert der Bahncard).
Unter diesen Voraussetzungen müsste die Entfernungspauschale doch ansetzbar sein, auch wenn mir keine Kosten entstanden sind, da diese doch "aufwandsunabhängig ist".
Muss ich dem FA denn überhaupt offenlegen (bei einer EP bis € 4.500,-), wie ich meinen Dienstsitz erreicht habe (über die Eintragung im Steuerformular hinaus) oder genügt nicht die Bestätigung des AG über die Anzahl der Tage?
Besten Dank noch und freundliche Grüße
J. M.
Ihre Frage möchte ich dahingehend beantworten:
Werbungskosten sind Aufwendungen zur Sicherung und Erhaltung der Einnahmen. Wenn Sie keine Aufwendungen haben, haben Sie doch auch keine Werbungskosten.
"Die Entfernungspauschale ist grundsätzlich unabhängig vom Verkehrsmittel zu gewähren. Ihrem Wesen als Pauschale entsprechend kommt es grundsätzlich nicht auf die Höhe der tatsächlichen Aufwendungen an."soll heißen, dass der Steuerpflichtige nicht jeden einzelnen Cent einerseits nachweisen muss und andererseits jedesmal angeben muss, welches Verkehrsmittel nun genau genutzt wird, da in den vorigen Jahren verschiedene Verkehrsmittel auch verschiedene Pauschalsätze hatten.
Ansonsten gilt:
Grundsätzlich ist nach dem Untersuchungsgrundsatz des Finanzamtes und Mitwirkungsgrundsatz (§§ 88 ff. AO) des Steuerpflichtigen dieser verpflichtet, die Fragen vom Finanzamt zu beantworten.
Der Umfang dieser Pflichten richtet sich nach den Umständen des Einzelfalls.
Sie können ja den Beleg Ihres Arbeitgebers einreichen und auf die weitere Nachfrage vom Finanzamt warten.
Mit freundlichen Grüßen
Jeannette Uhlig
zu Ihrem Einwand gegenüber Xpert möchte ich Ihnen mitteilen, dass ich Ihnen geantwortet habe:
Die Entfernungspauschale ist grundsätzlich unabhängig vom Verkehrsmittel zu gewähren. Ihrem Wesen als Pauschale entsprechend kommt es grundsätzlich nicht auf die Höhe der tatsächlichen Aufwendungen an.
Und ich habe Ihnen das aktuelle (!!!!) BMF-Schreiben beigefügt, aus dem dies wortwörtlich übernommen wurde.
An das BMF-Schreiben ist die Finanzverwaltung gebunden.
Ein BFH-Urteil (und auch hier, denke ich, ging es nicht um Entfernungspauschale Wohnung Arbeitsstätte, sondern doppelte Haushaltsführung, das war hier kein Thema) ergeht aufgrund eines Einzelfalles und ist auch Die Entfernungspauschale ist grundsätzlich unabhängig vom Verkehrsmittel zu gewähren. Ihrem Wesen als Pauschale entsprechend kommt es grundsätzlich nicht auf die Höhe der tatsächlichen Aufwendungen in diesem entschiedenen Fall grundsätzlich anzuwenden.
Außerdem habe ich Sie gefragt, wie das Finanzamt auf die Nachfrage kommt.
Ich habe in keiner Weise geschrieben, dass Sie die Entfernungspauschale nicht ansetzen sollen (!!!), sondern die Bescheinigung vom Arbeitgeber, wenn das Finanzamt danach fragt und Sie haben diese, einreichen und dann auf eine evtl. Nachfrage warten. Sie haben mich gefragt, ob das Finanzamt nachfragen darf, und dies habe ich Ihnen auch beantwortet.
Ich habe im Rahmen eines Erstberatung meines Erachtens gesetzesgemäß geantwortet.
Mit freundlichen Grüßen
Jeannette Uhlig