Vorkaufsrecht Mieter
Fragestellung
Ich bin mehrjähriger Mieter einer Wohnung in einem Mehrfamilienhaus in München. Vor ca. 5 Jahren wurde das Mehrfamilienhaus in Eigentumswohnungen umgewandelt. Seit dem werden die Wohnungen sukzessive an Privateigentümer veräußert. Bei mir steht jetzt die Besichtigung der Wohnung durch einen potenziellen Käufer an. Nach meiner Einschätzung sind bei mir die Voraussetzungen für die Ausübung eines Vorkaufsrechts als Mieter erfüllt.
Was kann ich unternehmen wenn Verkäufer und Käufer mich über das Zustandekommen eines Kaufertrages nicht informieren und schnellstmöglich die Grundbucheintragung des neuen Käufers erwirken. Wenn ich richtig informiert bin steht mir dann ein Schadensersatzanspruch gegenüber dem Verkäufer zu, aber der Schadensnachweis wäre in einem solchen Fall sicherlich sehr schwierig.
Mit freundlichen Grüßen
Hinweis: Die Frage und Antwort wurde anonymisiert und mit Erlaubnis des Kunden veröffentlicht. Ihre eigene Frage wird standardmäßig nicht veröffentlicht.
Antwort von Rechtsanwalt Thore Flock
Sehr geehrter Fragesteller,
vorab der Hinweis: Da ich Ihren konkreten Sachverhalt nur sehr eingeschränkt kenne, und nur Ihre kurze Schilderung als Grundlage habe, kann ich nur sehr allgemeine Auskünfte zu diesem Thema geben. Ich weise darauf hin, dass diese allgemeinen Auskünfte in keinem Fall eine konkrete anwaltliche Beratung ersetzen können.
Ich gehe nach Ihren kurzen Ausführungen davon aus, dass Sie das gesetzliche Vorkaufsrecht des § 577 BGB ansprechen. Ich gehe davon aus, dass Sie Ihren Mietvertrag geprüft haben, und dass dort keine diesbezüglichen vertraglichen Regelungen vorhanden sind. Ich gehe davon aus, dass es sich hier um einen Erstverkauf (seit dem Termin der Umwandlung) handelt und nicht um eine zweite Veräußerung, weil unter diesen Umständen das Vorkaufsrecht möglicherweise nicht mehr gelten könnte.
Sofern Sie konkret davon ausgehen, dass Ihr Vermieter Sie übergehen wird und Sie einen Schadensersatzprozess indirekt vorbereiten, habe ich Ihnen dringend zu empfehlen, schon jetzt einen Fachanwalt für Miet- und Wohnungseigentumsrecht bei Ihnen vor Ort aufzusuchen. Insbesondere ist es dann nämlich wichtig, dass schon jetzt, außergerichtlich, die richtigen Schreiben an Ihren Vermieter gesendet werden.
Obwohl Sie sich schon konkret mit diesen Fragen beschäftigt haben scheinen, hier noch einmal vorab ein Hinweis auf die gesetzlichen Rahmenbedingungen zum Ablauf des Vorkaufsrechts:
Die einschlägigen gesetzlichen Regelungen des Vorkaufsrechtes gemäß § 577 BGB finden sich in §§ 463 - 473 BGB. Ich halte es für zwingend notwendig, dass Sie den Gesetzestext dieser Regelungen sorgfältig lesen, damit Sie sehen können, wann Ihr Vermieter Fehler macht. Es handelt sich nicht um so viel Text und die Kenntnis der gesetzlichen Vorgaben ist in Ihrer Situation sinnvoll. Dazu dieser Link:
http://dejure.org/gesetze/BGB/463.html
Sie fragen konkret nach Ihren Schadensersatzansprüchen wenn man Sie beim Vorkaufsrecht übergeht. Dazu kurz folgende Hinweise:
Die Durchsetzung von Schadenersatzansprüchen ist oftmals erheblich schwieriger als die Durchsetzung von vertraglichen Ansprüchen. Da Sie als Geschädigter in solchen Prozessen regelmäßig die Beweislast für alle Aspekte tragen muss die Durchführung von Schadensersatzprozessen in solchen Sachen gut vorbereitet sein. Es ist bei derartigen Prozessen keineswegs “garantiert”, dass Sie einen bestimmten Anspruch durchgesetzt bekommen oder am Ende einen bestimmten Betrag zugesprochen bekommen, da es bei solchen Schadensersatzprozessen auf eine Vielzahl von Faktoren ankommt. Ein Restrisiko bleibt immer. Dieses Restrisiko kann nur dann gesenkt werden, wenn der vorgerichtliche Schriftverkehr während der Veräußerung optimal durchgeführt wird.
Sie haben Recht, wenn Sie feststellen, dass ein ganz entscheidender Punkt der nachzuweisenden die Frage der Höhe des entstandenen Schadens sein dürfte.
Grundsätzlich könnte man für die Schadensberechnung - sofern im vorliegenden Fall hier keine konkreteren Anhaltspunkte oder Schäden vorhanden wären - die Differenz zwischen dem tatsächlichen Verkehrswert der Mietsache und dem Verkaufspreis ansetzen (so der BGH in dem häufig zitierten Urteil vom 15. Juni 2005, Az. VIII ZR 271/04). Siehe hier, Rn. 15:
http://openjur.de/u/192757.html
Da eine solche Bewertung des Verkehrswertes regelmäßig schwierig sein dürfte, wäre zu erwarten, dass das Gericht im Falles eines Schadensersatzprozess einen Sachverständigen mit der Wertermittlung beauftragen würde. Sachverständigengutachten sind teuer, weshalb auch der Prozess ein erhebliches Kostenrisiko hätte.
Ein weiterer wesentlicher Faktor eines solchen Schadenersatzprozesses ist insbesondere aber auch, dass sie für einen eine konkrete Kaufabsicht bezüglich der Wohnung nachweisen müssen.
Gegebenenfalls, sofern Sie befürchten, dass Ihr Vermieter Sie "übergehen" wird, sollten Sie ihn noch vor dem Verkauf schriftlich auf Ihr Vorkaufsrecht sowie auf die gesetzlichen Vorgaben hinweisen, und ihm in dem Schreiben auch ein konkretes Interesse an einem Kauf der Wohnung mitteilen.
Ein solches Schreiben könnte später in einem Schadensersatzprozess auch ein Beweismittel (von mehreren weiteren) für Ihre konkrete Kaufabsicht sein. Bitte achten Sie in diesem Zusammenhang insbesondere darauf, dass die Zustellung aller Ihrer Schreiben in diesem Verfahren gerichtlich überprüfbar nachweisbar ist!
Wie oben schon gesagt, wäre es in so fern sinnvoll, wenn Sie derartige Schreiben durch einen Anwalt versenden lassen würden. Nur dann kann gewährleistet werden, dass der vorbereitende Schriftverkehr für Ihre Rechtsdurchsetzung rechtssicher durchgeführt wird.
In diesem Zusammenhang muß ich aber auch schon jetzt darauf hinweisen, dass die anzusetzenden Rechtsanwaltskosten für eine derartige anwaltliche Tätigkeit auf Grund des hohen Streitwertes recht hoch sein werden. Bitte lassen Sie sich bei Ihrem RA deshalb - vorab - über die RA-Kosten informieren.
Bitte lesen Sie in diesem Zusammenhang auch noch einmal die folgenden beiden Links:
http://www.berliner-mieterverein.de/magazin/online/mm1008/hauptmm.htm?http://www.berliner-mieterverein.de/magazin/online/mm1008/100828.htm
http://www.mieterschutzverein-frankfurt.de/fileadmin/user_upload/PDF/Merkblaetter/Umwandlung.pdf
Habe ich Ihre Frage beantwortet? Selbstverständlich stehe ich Ihnen für Rückfragen jederzeit sehr gerne zur Verfügung.
Mit freundlichen Grüßen
RA Thore Flock
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viellen Dank für die ausführliche Antwort. Eine Frage hätte ich noch dazu. Besteht alternativ zur Schadensersatzklage auch die Moglichkeit meinerseits das Vorkaufsrecht durch einen Notar im Grundbuch einzutragen. Dann wäre zumindest die Kenntnisnahme des beglaubigenden Notars zwischen Vermieter und Käufer nachweisbar.
Mit freundlichen Grüßen
für die verzögerte Antwort bitte ich um Entschuldigung, ich war Freitag außer Haus.
A. Ihre Frage kann ich nur indirekt beantworten, da ich mich an dieser Stelle nicht endgültig festlegen möchte:
1. Grundsätzlich ist das dingliche Vorkaufsrecht gemäß § 1094 BGB etwas grundsätzlich anderes als das mietvertragliche bzw. gesetzliche des § 577 BGB. Das dingliche Vorkaufsrecht ist "wertvoller", da es dem Berechtigten erheblich besseren Schutz bietet. Z.B. wirkt es nicht nur wie das Vorkaufsrecht des § 577 BGB zwischen Vermieter und Mieter, sondern auf gegenüber Dritten. In so fern halte ich es für unwahrscheinlich, dass aus dem mietvertraglichen Vorkaufsrecht ein Anspruch auf Eintragung eines dinglichen Vorkaufsrechtes hergeleitet werden kann.
2. Mir ist aus der Praxis kein Fall der Eintragung eines dinglichen Sicherungsrechts auf Grund des mietvertraglichen Vorkaufsrechtes des § 577 BGB bekannt.
3. Ein dingliches Vorkaufsrecht könnte ja nicht ohne den Eigentümer eingetragen werden, d.h. man müsste den Eingentümer verklagen um das Recht überhaupt eingetragen zu bekommen. Zwar habe ich Literatur, in der vorgeschlagen wird zu Gunsten des Mieters ggf. eine Auflassungsvormerkung einzutragen. Allerdings handelt es sich dabei wohl nur um Vorschläge, nicht um tatsächliche Rechtspraxis.
Aus diesen drei Gründen halte ich einen Anspruch auf Eintragung des Vorkaufsrechtes für unwahrscheinlich.
Gleichwohl will ich nicht vollkommen ausschließen, dass es einen Anspruch auf Eintragung eines Sicherungsrechtes oder einer Vormerkung in das Grundbuch gibt. Ggf. fragen Sie in so fern noch einmal Ihren örtlichen Notar, der wird Ihnen auch nochwas dazu sagen können.
B. Ergänzend zu Ihren Fragen noch einmal folgender Textblock aus der Literatur. Ich denke einige Ihrer Fragen werden in diesem Textblock kurz angesprochen.
Ich weise aber ausdrücklich darauf hin, dass auch diese Kommentierung nur grobe Leitlinien geben kann mit Vorsicht zu behandeln ist, da es sich bei den hier genannten Entscheidungen jeweils um Einzelfälle und Einzelentscheidungen handelt. Tatsächlich kann Ihr Sachverhalt erheblich abweichen. Ich gebe Ihnen diesen Textblock nur mit, damit sie ggf. noch ein paar Ideen / Anregungen erhalten, wie Sie weiter vorgehen könnten. Es handelt sich in so fern nicht um direkte Beratung für Ihren Fall.
Eine vernünftige Rechtsdurchsetzung im Konfliktfall werden Sie nur erreichen, wenn Sie sich durch einen Anwalt in dieser Sache vertreten lassen!
"Ergänzend zu § 577 BGB bestimmt § 20 BeurkundungsG, dass der Notar auf das gesetzliche Vorkaufsrecht hinweisen soll, wenn er davon Kenntnis hat, dass eine umgewandelte oder umzuwandelnde Eigentumswohnung verkauft wird. Man wird diese Bestimmung ergänzend dahingehend auslegen müssen, dass sich der Hinweis auch auf die Notwendigkeit der Unterrichtung des Mieters erstrecken soll. Eine Mitteilungspflicht besteht nicht, wenn kein Vorkaufsfall gegeben ist, etwa weil die Wohnung an einen Angehörigen verkauft worden ist. In manchen Fällen wird der Mieter sein Vorkaufsrecht nur dann ausüben wollen, wenn der Käufer eine Eigennutzungsabsicht besitzt. Nach der gesetzlichen Regelung hat der Mieter allerdings keinen Anspruch auf Auskünfte über den Erwerbszweck. Die Nichterfüllung oder die unvollständige Erfüllung der Mitteilungspflicht stellt eine Pflichtverletzung dar, die den Mieter zum Schadensersatz berechtigt. Für eine Verletzung der Informationspflicht durch den Notar hat der Vermieter einzustehen (§ 278 BGB).
Ein Schaden ist insbesondere dann zu bejahen, wenn der Vermieter den Kaufvertrag gegenüber dem Käufer erfüllt und dieser das Mietverhältnis kündigt. Der Mieter muss – wie allgemein – die Kausalität zwischen dem schädigenden Ereignis (der Nichterfüllung der Mitteilungspflicht) und dem Schaden (den durch den Verlust der Wohnung eingetretenen Vermögensnachteil) beweisen. Hierzu gehört der Nachweis, dass der Mieter bei ordnungsgemäßer Erfüllung der Mitteilungspflicht von seinem Vorkaufsrecht Gebrauch gemacht hätte. Hieran sind keine strengen Anforderungen zu stellen. Kann der Mieter nachweisen, dass er ein ernsthaftes Interesse am Erwerb der Wohnung hatte und dass er hierzu auf Grund seiner finanziellen Situation auch in der Lage gewesen wäre, so spricht der Anschein für den Mieter. Es ist dann Sache des Vermieters, diesen Anschein zu widerlegen. Wird die Wohnung an einen Kapitalanleger ohne Eigennutzungs- oder Verwertungsabsicht veräußert, so entsteht dem Mieter im Allgemeinen kein Vermögensnachteil. Ist zwischen den Parteien des Kaufvertrags ein besonders niedriger Kaufpreis vereinbart worden, so kann der Mieter insbesondere nicht geltend machen, dass er die Wohnung zu einem höheren Preis hätte weiterverkaufen können, weil der Verlust eines Veräußerungsgewinns vom Schutzzweck des § 577 BGB nicht gedeckt wird.
(...)
Kündigt der Erwerber wegen Eigenbedarfs, so können beispielsweise die umzugsbedingten Aufwendungen Gegenstand eines Ersatzanspruchs sein. Nach einer Entscheidung des OLG München96 soll allerdings eine Ausnahme gelten, wenn die Parteien des Kaufvertrags in einer gegen die guten Sitten verstoßenden Weise (§ 826 BGB) zusammenwirken, um das Vorkaufsrecht des Mieters zu vereiteln. In diesem Fall soll der Mieter die Möglichkeit haben, den Parteien des Kaufvertrags durch einstweilige Verfügung zu verbieten, Schritte zur Eintragung des Erwerbers ins Grundbuch zu unternehmen."
(Quelle: Schmidt-Futterer, § 577 Rn. 45ff)
Ich hoffe, dass ich Ihnen in so fern ein wenig weiter helfen konnte.
Mit freundlichen Grüßen
RA Thore Flock