Scheinselbständigkeit
Beantwortet von Steuerberater Dipl-Finanzwirt Jeannette Klüsener
Fragestellung
Hallo.
Ich hätte eine Frage zum Thema Scheinselbständigkeit.
Wir sind eine Filmproduktionsfirma und mussten aus konjunkturellen Gründen einige festangestellte Mitarbeiter entlassen. Diese Mitarbeiter würden auf freiberuflicher Basis gerne weiter mit uns zusammen arbeiten - realistisch wären wir für eine ganze Weile ihre einzigen Auftraggeber.
Anzahl und Umfang der Aufträge, die wir an sie vermitteln können lässt sich momentan nicht absehen; sie sollen Aufträge selbständig aber in unserem Namen (also wie Subunternehmer mit einem Servicevertrag) für uns umsetzen.
Wir haben Sorge, dass es Probleme wegen Scheinselbständigkeit geben könnte. Die drei ehemaligen Mitarbeiter erwägen auch, sich zu einer GbR zusammen zu schließen aber soweit ich das verstehe, löst das das Problem der Scheinselbständigkeit nicht.
Stimmt das?
Wie können wir das Problem umgehen oder zumindest im Vorfeld herausfinden, ob es sich tatsächlich um eine Scheinselbständigkeit handelt?
Beste Grüße,
M. S.
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Antwort von Steuerberater Dipl-Finanzwirt Jeannette Klüsener
Sehr geehrter Ratsuchende,
vielen Dank für Ihre Anfrage. Ich möchte Ihnen nachfolgend im Rahmen einer Erstberatung einen Überblick über die steuerlichen Besonderheiten Ihres vorgetragenen Sachverhalts geben:
Grundsätzlich gilt:
Bei Scheinselbstständigkeit wird durch eine entsprechende vertragliche Gestaltung eine selbstständige Tätigkeit vorgetäuscht. In Wahrheit handelt es sich um eine abhängige Beschäftigung als Arbeitnehmer.
Nachfolgend möchte ich auf Merkmale, die
für eine abhängige Beschäftigung und
gegen eine selbstständige Tätigkeit sprechen, auflisten:
- Der Erwerbstätige beschäftigt im Zusammenhang mit seiner Tätigkeit regelmäßig keinen Arbeitnehmer, dessen Arbeitsentgelt aus diesem Beschäftigungsverhältnis regelmäßig im Monat 450 EUR übersteigt.
- Der Erwerbstätige ist auf Dauer und im Wesentlichen nur für einen Auftraggeber tätig.
- Der Auftraggeber oder ein vergleichbarer Auftraggeber lässt entsprechende Tätigkeiten regelmäßig durch von ihm beschäftigte Arbeitnehmer verrichten.
- Die Tätigkeit lässt typische Merkmale unternehmerischen Handelns nicht erkennen.
- Die Tätigkeit entspricht dem äußeren Erscheinungsbild nach der Tätigkeit, die der Erwerbstätige für denselben Auftraggeber zuvor aufgrund eines Beschäftigungsverhältnisses ausgeübt hatte.
- Die Vergütung entspricht dem Arbeitsentgelt eines vergleichbar beschäftigten Arbeitnehmers, sodass eine Eigenvorsorge (z. B. Kranken- und Rentenversicherung) einen erheblichen finanziellen Nachteil gegenüber einem Arbeitnehmer mit sich bringt.
Diese Kriterien wurden durch die Rechtsprechung der Sozialgerichtsbarkeit entwickelt.
Merkmale für eine selbständige Tätigkeit:
- Sie können Hilfskräfte einsetzen.
- Feste Arbeits- oder Anwesenheitszeiten sind grundsätzlich nicht einzuhalten
- Sie setzen eigene Betriebsmittel ein (eigenes Home-Office).
- Sie sind werbend am Markt tätig.
Um also ein wesentliches Kriterium gegen die Scheinselbstständigkeit zu schaffen, sollte der "Selbständige" an den Markt gehen und für sich zum Beispiel werben.
Er sollte in Zeitungen inserieren und werben, Messen oder Veranstaltungen besuchen: kurzum wie ein Unternehmer tätig werden. Wenn er dann keine lukrativen Angebote erhält, ist das nicht sein Problem, er sollte aber dokumentieren, dass er "schlechte" Angebote erhalten hat. Auch dokumentieren, dass er Kostenvoranschläge hinausgesandt hat oder eben kleinere Projekte auf die Beine gestellt hat, die nichts mit Ihnen zu tun haben.
Hier handelt sich um eine Indiziensammlung, die dann im Einzelfall vom Finanzamt nach den tatsächlichen Verhältnissen geprüft wird und dann entschieden wird.
Eindeutige Sicherheit im Sozialrecht kann Ihnen in der geschilderten Konstellation nur die Durchführung einer Statusfeststellung (Clearingverfahren) bringen. Nähere Informationen und den Antragvordruck finden Sie hier: www.deutsche-rentenversicherung.de (www).
GbR:
Ist der Auftragnehmer als Gesellschaft mit beschränkter Haftung (GmbH), als Kommanditgesellschaft (KG) oder als Offene Handelsgesellschaft (OHG) tätig, schließt dies in aller Regel eine abhängige Beschäftigung durch den Auftraggeber aus.
Der Ausschluss eines abhängigen Beschäftigungsverhältnisses wirkt jedoch nur auf die Beurteilung der Rechtsbeziehungen zwischen dem Auftragnehmer und dem Auftraggeber, nicht jedoch auf die Frage, ob die in der Gesellschaft Tätigen Arbeitnehmer dieser Gesellschaft sein können.
Ist die auftragnehmende Gesellschaft dagegen eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR), ist im Einzelfall (siehe oben) zu prüfen, ob eine abhängige Beschäftigung oder selbstständige Tätigkeit vorliegt.
Anmerken möchte ich noch: Die Feststellung im Sozialrecht und Steuerrecht im Zusammenhang mit der Scheinselbständigkeit können auseinander fallen.
Siehe zum Beispiel: angestellter GmbH-Gesellschafter-Geschäftsführer
Bleibt der nach Sozialversicherungsrecht eingestufte Scheinselbstständige steuerrechtlich selbstständiger Unternehmer, schuldet der Auftraggeber Sozialabgaben, aber keine Lohnsteuer.
Anliegend übersende ich Ihnen zur Vertiefung zum Thema ein Merkblatt der IHK Berlin zum Thema Selbständigkeit zu Ihrer weiteren Verfügung.
Ich hoffe, meine Antwort hat Ihnen weitergeholfen und
verbleibe
mit freundlichen Grüßen
Jeannette Klüsener, Steuerberaterin
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