Krankenkassenbeitäge
Fragestellung
Sehr geehrter Ra. Dr. Schömann,
vorab eine Information über mich: aufgrund völliger Überforderung habe ich sehr viele "Baustellen" vernachlässigt. Keine Frage, mein Verschulden. Und jetzt bin ich dabei diese Baustellen aufzuräumen.
Und nun zu meinem Anliegen: ich bin freiwillig krankenversichert und schulde der Krankenkasse Beiträge seit Ende 2014 (ca. der genaue Zeitraumliegt mir gerade nicht vor). Den letzten Einkommenssteuerbescheid (2012) habe ich der Krankenkasse nach Erhalt übermittelt und als Existensgründer einen Antrag auf Beitragsentlastung gestellt.
Den Einkommensteuerbescheid 2013 vom 4.3.2015 habe ich postalisch gesendet. 2014 und 2015 wurden erst im Dezember 2016 von meinem Steuerberater fertiggestellt und liegen noch nicht vor.
Lt. BEK ist der Estbescheid 2013 nicht eingegangen und so wurde ich seit 2015 auf den Höchstbeitrag eingestuft. Mein Einkommen liegt jedoch wesentlich darunter (2013 hatte ich ein Jahreseinkommen von 10.717 €), 2014 und 2015 werden ähnliche Zahlen aufweisen.
Aus meinem heutigen Gespräch mit der BEK ging hervor, dass eine nachträgliche Rückstufung aus der höchsten Beitragsklasse nicht möglich sei, sondern erst für die kommenden Beiträge ab dem 1.5.2017 erfolgen wird.
Ich würde gerne von Ihnen erfahren, ob der Kasse gesetzlich die Hände gebunden sind und ich die ausstehenden Beiträge zum Höchstsatz bezahlen muss (über 700 € monatlich seit Mitte 2015 zzgl. Mahnkosten und Säumniszuschläge). Hätte ich die Bescheide zeitnah übermittelt, wäre mein Beitrag aufgrund des relativ niedrigen Einkommens wesentlich geringer gewesen. Ich weiß nicht, ob die Existensgründung hier auch eine Rolle spielt:
- 09/2012 Eröffnung eines Ladenlokals
- 06/2014 Gründung einer Produktionsfirma (GbR)
- 05/2015 Auflösung der GbR
- 06/2015 Weiterführung der Produktionsfirma als Einzelunternehmer
Vielleicht können Sie mir meine Frage beantworten. Vielen Dank und
Gruß aus Aachen
E. S.
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Antwort von Rechtsanwalt Matthias Schömann
Sehr geehrter Ratsuchender,
vielen Dank für Ihre Anfrage, die ich Ihnen gern unter Zugrundelegung des von Ihnen mitgeteilten Sachverhaltes beantworte. Ich weise daraufhin, dass bereits geringfügige Änderungen im Sachverhalt eine andere rechtliche Bewertung zur Folge haben können.
Die Beitragsbemessung für freiwillig hauptberuflich selbständig Versicherte richtet sich im Wesentlichen nach § 240 SGB V und den vom Spitzenverband Bund der Krankenkassen erlassenen Regelungen für Selbstzahler. Danach wird für diese Personengruppe als beitragspflichtige Einnahmen für den Kalendertag der 30. Teil der monatlichen Beitragsbemessungsgrenze (2017: 4350,- €) zugrunde gelegt. Bei Nachweis niedrigerer Einnahmen mind. der 40. Teil der monatlichen Bezugsgröße (2017: 2975,- €).
Nach derzeitiger Rechtslage (§ 7 Abs. 7 der genannten Regelungen des Spitzenverbandes) ist der zuletzt eingereichte Einkommenssteuerbescheid maßgeblich. Da die Beitragsbemessung regelmäßig von Ihrer Kasse überprüft wird, wird Ihr Beitrag immer wieder neu festgesetzt. Legen Sie keinen neuen Einkommenssteuerbescheid vor, dann ist die Kasse gehalten, Ihren Beitrag nach den Regelungen des § 240 SGB V (vgl. oben) festzusetzen. Ein verspäteter Nachweis eines geringeren Einkommens wirkt sich erst für die Zukunft, nicht aber rückwirkend aus. Insofern ist die Auskunft Ihrer Kasse korrekt.
Ihre Kasse ist auch verpflichtet die festgesetzten Beiträge vollständig einzuziehen.Sie kann nur in sehr eingeschränktem Maße offene Beiträge niederschlagen oder erlassen.
In Ihrem Fall sehe ich die Besonderheit darin, dass der Einkommenssteuerbescheid für 2013 mit dem Sie die niedrigeren Einkünfte nachweisen können, von Ihnen versandt aber offenbar auf dem Postweg abhanden gekommen sind. Allerdings trifft Sie hierfür die Beweislast. Auch wenn Ihnen der Beweis nicht gelingt, dann sollten Sie diese Tatsache dennoch zum Anlass nehmen, um bei Ihrer Kasse einen sogenannten Vergleich zu beantragen. In diesem Antrag sollten Sie auf Ihre finanzielle Situation hinweisen. Ein Vergleich ist gemäß § 10 der vom Spitzenverband der Krankenkassen getroffenen Regelungen möglich, wenn er im Einzelfall zweckmäßig und wirtschaftlich ist. Ob dies bei Ihnen der Fall muss Ihre Krankenkasse entscheiden. Mein Rat wäre in jedem Fall an Ihre Kasse nochmals heranzutreten und einen solchen Vergleich zu beantragen. Für einen Vergleich spricht, dass Ihre tatsächlichen Einkünfte sehr deutlich unter den angenommenen Einkünften liegen und Sie möglicherweise auch gar nicht in der Lage sein werden, die festgesetzten Beiträge zu zahlen.
Ich hoffe ich konnte Ihnen etwas weiterhelfen.
Matthias Schöma
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