Ehevertrag prüfen
Fragestellung
Sehr geehrte Damen und Herren,
mein Mann und ich leben derzeit getrennt und in Vorbereitung auf eine mögliche Scheidung möchte ich einen Ehe- und Übergabevertrag abschließen.
Insbesondere S. 9 § 3 Versorgungsausgleich: Welche Konsequenzen ergeben sich daraus, für den Fall, dass die Ehe nicht jetzt geschieden wird, sondern später, z.B. nach Kindererziehungszeiten? Habe ich dann noch eine ausreichende finanzielle Absicherung?
Was ergibt sich aus § 6 Belehrungen?
Sind alle Punkte berücksichtigt worden?
Freundliche Grüße
J. Bastian
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Antwort von Rechtsanwalt Reinhard Otto
Guten Morgen,
ich habe inzwischen den Vertragsentwurf geprüft. Er enthält verschiedene Regelungen, auf die ich nachstehend im Einzelnen eingehen werde.
Die im Vertrag enthaltenen Regelungen gelten unabhängig davon, ob die bestehende Ehe jetzt oder später oder auch gar nicht geschieden wird. In letzterem Fall kommen nur bestimmte Regelungen nicht zur Geltung.
Die Übertragung der Ihnen gehörenden Miteigentumsanteile an ETW und Grundstück ist losgelöst vom Bestand der Ehe; Sie würden damit auf jeden Fall Ihr Eigentum zugunsten Ihres Mannes an diesen übertragen.
Die vorgesehene Freistellung von den bestehenden Verbindlichkeiten ist die einzige Gegenleistung.
Welchen Verkehrswert die Grundbesitzungen haben, geben Sie nicht an, so dass ich auch nicht abschätzen kann, ob die vereinbarte Gegenleistung angemessen ist. Sollte das Objekt während der Ehezeit Wertsteigerungen erfahren haben, die zu einem über den bestehenden Verbindlichkeiten hinausgehenden Wert der Objekte geführt haben, bekämen Sie davon nichts.
Der in § 2 enthaltene gegenseitige Verzicht auf nachehelichen Unterhalt ist modifiziert dahingehend, dass Ihnen gleichwohl Unterhalt zusteht, sofern die Voraussetzungen des § 1570 Abs. 1 BGB gegeben sind.
„Ein geschiedener Ehegatte kann von dem anderen wegen der Pflege oder Erziehung eines gemeinschaftlichen Kindes für mindestens drei Jahre nach der Geburt Unterhalt verlangen. Die Dauer des Unterhaltsanspruchs verlängert sich, solange und soweit dies der Billigkeit entspricht. Dabei sind die Belange des Kindes und die bestehenden Möglichkeiten der Kinderbetreuung zu berücksichtigen.“
Angesichts der Kürze der Ehezeit und der derzeitigen Einkommenssituation ist diese Regelung durchaus akzeptabel, sofern die Ehe in absehbarer Zeit geschieden wird.
Ob sie es sein wird, wenn die Ehe erst wesentlich später geschieden werden sollte, kann heute nicht abschließend beurteilt werden.
Hier muss das Risiko gesehen werden, dass in einer noch länger bestehenden Ehe Risiken auftreten können, die zu einer völlig anderen Situation führen würden. Insbesondere bei einer Erkrankung oder einem Unfall während der Ehezeit, die zu einer Erwerbsunfähigkeit führt, würde Unterhaltsansprüche nicht entstehen lassen, die dann nach dem Gesetz eigentlich gegeben wären.
Auch berufliche Nachteile, die Sie z.B. wegen der Betreuung gemeinsamer Kinder erleiden, würde nicht ausgeglichen werden können; ein Ihnen nach dem Gesetz zustehender Anspruch auf Zahlung von Aufstockungsunterhalt würde entfallen.
Diese Regelung muss natürlich auch gesehen werden unter dem Aspekt, dass in § 3 der Versorgungsausgleich vollständig ausgeschlossen werden soll.
Auch dies ist unter Berücksichtigung der aktuellen Situation akzeptabel, wenn es in absehbarer Zeit zu einer Scheidung kommt.
Bleibt jedoch die Ehe noch länger bestehen, und kommen insbesondere noch gemeinschaftliche Kinder hinzu, würde eine Situation entstehen können, in der Sie an einem Ausbau der eigenen Altersvorsorge gehindert wären, während Ihr Mann seine eigene weiter aufbauen kann; Sie würden dann an seiner Versorgung nicht mehr teilnehmen.
Eine vergleichbare Situation kann hinsichtlich des in § 4 geregelten Ausschlusses des Zugewinnausgleiches entstehen.
Alle Regelungspunkte sind natürlich auch im Zusammenhang zu sehen.
Wirtschaftlich würden sie dazu führen, dass bei einer alsbaldigen Scheidung Sie ohne Schulden aus der Ehe gingen, aber auch nichts erhalten.
Das ist unter Umständen noch akzeptabel, wenn sich die aktuelle Situation nicht ändert, die davon geprägt ist, dass Sie keine gemeinsamen Kinder zu betreuen haben, selber berufstätig sind und eigenes Einkommen erzielen und auch für eine angemessene Altersversorgung selber sorgen können.
Die Regelungen in ihrer Gesamtheit würden Sie aber spätestens dann unangemessen benachteiligen, wenn die Ehe noch längere Zeit fortbesteht und/oder sich die genannten Umstände verändern, insbesondere aus der Ehe Kinder hervorgehen würden, die Sie unter Aufgabe der eigenen Berufstätigkeit betreuen würden. Dann wären Sie durch den Ehevertrag deutlich benachteiligt.
Grundsätzlich ist es zwar so, dass im Falle einer Scheidung das Gericht die Sozialverträglichkeit eines solchen Ehevertrages prüfen muss und prüft. Der Notar weist darauf in § 6 ausdrücklich hin.
Allerdings ist das Gericht auch an den Grundsatz gebunden, dass geschlossene Verträge grundsätzlich bindend sind. Nur in ganz krassen Ausnahmefällen darf das Gericht solche Verträge außer Kraft setzen.
Diese Kontrollmöglichkeit sollten Sie daher nicht überbewerten.
Bedeutend besser wäre natürlich eine entsprechende Modifizierung des Ehevertrages, wenn beabsichtigt ist, die Ehe doch noch weiter fortzuführen und insbesondere dann, wenn Kinder gezeugt werden sollten. Dann nämlich ist dieser Vertrag sehr unausgewogen und benachteiligt Sie über Gebühr.
Mit freundlichen Grüßen
Reinhard Otto
Rechtsanwalt
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Reinhard Otto
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vielen Dank für Ihre Rückmeldung. Wie könnte denn eine mögliche Modifizierung des Vertrages aussehen? Hintergrund ist, dass ich noch nicht genau weiß, ob ich mich scheiden lassen soll oder ob ich meinem Mann noch eine Chance geben kann. Er hatte ein Strafverfahren wegen Betrug am Hals und hat jetzt das Urteil auf Bewährung bekommen. Das Vertrauen ist dadurch sehr zerrüttet worden.
Freundliche Grüße
Johanna Bastian
in diesem Fall sollten Sie den Vertrag auf jeden Fall so modifizieren lassen, dass Sie im Falle der Fortsetzung der Ehe zumindest dann, wenn Sie wegen gemeinsamer Kinder und auch wegen während der Ehezeit auftretender Erkrankungen finanzielle Nachteile erleiden sollten, abgesichert sind und Ausgleichsansprüche haben.
Das sind ja die beiden Konstellationen, aus denen heraus Sie später in Bedrängnis kommen könnten, wenn Sie den Vertrag in der vorliegenden Form abschließen.
Sofern Sie dies wünschen, kann ich die evt. vorgesehenen Änderungen auch gerne vor einer Beurkundung prüfen. Sie können sich dazu unter
raottobielefeld@aol.de
mit mir in Verbindung setzen.
Mit freundlichen Grüßen
Reinhard Otto
Rechtsanwalt