Bußgeldbescheid an Unschuldigen
Fragestellung
Mein Sohn Lukas hat auf der A73 angeblich den Abstand nicht eingehalten. Er musste bremsen wegen eines vor ihm fahrenden Fahrzeuges. Er ist Führerscheinneuling und es droht eine längere Probezeit und teure Zusatzseminar. Dies zu verhindern ist unser Ziel. Halter des Fahrzeuges bin ich, ich bekam eine Anhörung, bei der ich Angaben verweigerte. Dann kam ein Polizist, bei dem ich auch die Aussage verweigerte. Er meinte, dann kann es nur einer Ihrer beiden Söhne gewesen sein. Beide sind bei mir gemeldet. Der falsche Sohn bekam nun eine Vorladung der Polizei, zu der er nicht ging. Dann einen Bußgeldbescheid (Anlage), dem wir widersprachen. Eine Begründung werde nachgeliefert, schrieb ich dazu (online). Nun sind viele Wochen ohne irgendeine Reaktion vergangen. Ich hätte jetzt im Moment nur die Frage, ob wir diese Begründung nachliefern sollen. Sie würde darin bestehen, dass wir leicht nachweisen können, dass Jonathan nicht gefahren ist. Schon das Bild auf der Anhörung würde das beweisen. Dann nehmen Sie sich evtl. Lukas vor, da bräuchten wir dann auch Rechtsbeistand. Es könnte doch sein, dass sie nicht mehr warten, den Einspruch ablehnen und ein Verfahren eröffnen. Diese Kosten wollen wir sparen im Falle einer Niederlage von uns. Also momentan nur eine FRAGE: Sollen wir die Begründung für den Einspruch (falscher Sohn) nachliefern oder nicht.
Mit den besten Grüßen
Dr. E. W.
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Antwort von Rechtsanwalt Jens Jeromin
Sehr geehrter Fragesteller,
vielen Dank für Ihre Anfrage, die ich aufgrund Ihrer Informationen wie folgt beantworte.
Zunächst zu generellen Prozedere.
Nach einem Einspruch prüft die Bußgeldbehörde den Sachverhalt erneut. Hilft sie nicht ab, übersendet sie die Akte der Staatsanwaltschaft, diese prüft den Sachverhalt ebenfalls und leitet die Akte sodann im Regelfall an das zuständige Amtsgericht weiter, verbunden mit dem Antrag, wie bereits im Bußgeldbescheid geschehen, zu entscheiden (die Staatsanwaltschaft ist also eher eine Kontrollinstanz „auf dem Papier“).
Das Amtsgericht bestimmt sodann Termin zu mündlichen Verhandlung über den Einspruch gegen den Bußgeldbescheid.
Jetzt konkret.
Entscheidend ist hier, dass Ordnungswidrigkeiten nach dem StVG (Ausnahme Alkohol, Drogen) gemäß § 26 Absatz 3 StVG in Abweichung von § 32 Absatz 2 OWiG nicht erst nach sechs, sondern schon nach drei Monaten verjähren.
Konkret hätte ihr Sohn Lukas binnen drei Monate nach der Tat zum Beschuldigten gemacht werden müssen.
Die Tat datiert vom 16.03.2017, die drei Monate sind längst vergangen.
Nach Ihrer Schilderung wurde Ihr Sohn Lukas aber nie zum Beschuldigten.
Der entsprechende Polizeibeamte war nach Ihrer Schilderung wohl schon auf der richtigen Fährte, beschuldigte aber letztlich den Falschen.
Dass Sie als Zeuge zur Fahrereigenschaft gehört wurden unterbricht den Lauf der Verjährung gegen Ihren Sohn Lukas nicht, ebensowenig der Beschuldigenstatus Ihres Sohnes Jonathan.
Es spricht daher alles dafür, dass die Tat hinsichtlich Ihres Sohnes Lukas verjährt ist.
Dementsprechend könnten Sie sogar im Einspruchsverfahren Ihres Sohnes Jonathan Lichtbilder beider Söhne einreichen und klar bekennen: es war Lukas.
Denn Lukas kann aufgrund der Verjährung nicht mehr belangt werden.
Ganz sicher gehen Sie, wenn Sie zunächst im Einspruchsverfahren Ihres Sohnes Jonathan anwaltlich Akteneinsicht nehmen und die Akte dahingehend prüfen, wie es sich mit einer eventuellen Beschuldigtenstellung Ihres Sohnes Lukas, die die Verjährung unterbrochen haben könnte, verhält.
Ich hoffe Ihnen auf diesem Weg eine hilfreiche erste rechtliche Orientierung ermöglicht zu haben und verbleibe
mit freundlichen Grüßen
Jeromin
Rechtsanwalt
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eine kurze Nachfrage zur Bußgeldsache für meinen Sohn Jonathan: Heute kam eine Vorladung zu einem Gerichtstermin zwecks Anhörung zu seinem Widerspruch. Wir hatte nichts mehr unternommen. Gleichzeitig bekam mein zweiter Sohn Lukas, der das Vergehen eigentlich beging, eine Vorladung als Zeuge. Kann Jonathan nun einfach mitteilen, dass er unschudlig ist, was er ja leicht beweisen kann. Was passiert dann? Dennoch Gerichtstermin mit Lukas als Zeugen? Er wird dann wohl erkannt und als Beschuldigter angesehen. Nach Ihren Auskunft kann ihm nichts passieren, da die Sache verjährt ist. Wir sind nicht sicher, haben deshalb auch noch nicht bewertet.
Mit besten Grüßen
Dr. E. W.
gerne beantworte ich Ihre Nachfrage.
Dass das zuständige Amtsgericht nun einen Hauptverhandlungstermin anberaumt hat, um über den Einspruch zu entscheiden, ist normales Prozedere und wurde in meiner ursprünglichen Antwort schon so in Aussicht gestellt insofern passiert gerade nichts Außergewöhnliches.
Dass das Gericht Ihren Sohn Lukas als Zeugen geladen hat, deutet stark darauf hin, dass das Gericht selbst von der Möglichkeit ausgeht, dass der Bußgeldbescheid „den Falschen erwischt“ hat. Es wird darum gehen, dass sich das Gericht beide ansehen möchte, um zu entscheiden, wer gefahren ist.
Das Gericht wird dann nur Ihren Sohn Jonathan freisprechen, Ihren Sohn Lucas zum Beschuldigten zu machen, ist nicht Aufgabe des Gerichts. Das müsste die Bußgeldstelle. Die wird aber die Verjährung und damit ein Verfolgungshindernis erkennen.
Nochmal kurz zum Thema Verjährung: nach allem, was Sie mir zum zeitlichen Ablauf schildern, ist hier Verjährung hinsichtlich Lukas eingetreten, insofern darf ich ein hohes Maß an Sicherheit in Aussicht stellen- 100%ig lässt sich diese Frage naturgemäß aber nur nach Akteneinsicht beantworten.
Natürlich könnten Ihre Söhne das Gericht jetzt getrennt anschreiben (der eine schreibt sinngemäß„ich wars nicht“, der andere schreibt „ich wars“ und entsprechende Lichtbilder und Personalausweiskopien beifügen). Dann könnte das Gericht noch von einer Hauptverhandlung absehen und das Verfahren im Beschlussweg einstellen. Das muss es aber nicht. Es könnte auch durchaus sagen „jetzt habe ich eh schon terminiert, dann schaue ich mir die beiden auch persönlich an, bevor ich entscheide“.
Ich wünsche Ihren Söhnen weiterhin viel Erfolg !
Mit freundlichen Grüßen
Jeromin
Rechtsanwalt
Fachanwalt für Verkehrsrecht
Fachanwalt für Strafrecht