Behindertentestament
Fragestellung
Sehr geehrte Damen und Herren,
ich habe eine Frage zum Erbrecht/ Sozialrecht
Meine Schwester ist Schwerbehindert (50% Behinderung). Sie bekommt eine stattliche Rente, die im Moment alle 2 Jahre neu beantragt werden muss und Wohngeld.
Mein Vater ist verstorben, meine Mutter lebt noch. Außer dem Haus meiner Mutter gibt es keine Vermögenswerte.
Im Fall des Todes meiner Mutter würden im Moment meine Schwester und ich zu gleichen Teilen erben. (Weitere Geschwister gibt es nicht. Die Eltern meiner Mutter sind verstorben.)
Unsere Befürchtung ist, dass im Erbfall das Haus verkauft werden müsste, bzw. ich meiner Schwester die Hälfte des Wertes des Hauses auszahlen müsste und dieser Betrag dann von ihrer stattlichen Rente abgezogen würde.
Ist diese Befürchtung richtig? Wenn ja, könnte dies verhindert werden z.B. durch das Aufsetzen eines Behindertentestamens, bei dem meine Schwester als Vorerbe und ich als Nacherbe eingesetzt werde. So dass meine Schwester regelmäßig Zuwendungen aus dem Erbe erhält, aber ihre stattliche Unterstützung durch das Erbe nicht gemindert wird.
Vielen Dank für ihre Hilfe!
Hinweis: Die Frage und Antwort wurde anonymisiert und mit Erlaubnis des Kunden veröffentlicht. Ihre eigene Frage wird standardmäßig nicht veröffentlicht.
Antwort von Rechtsanwältin Anja Merkel, LL.M.
Sehr geehrte Ratsuchende,
ich beantowrte Ihr Anliegen aufgrund Ihrer Angaben folgendermaßen:
Ist diese Befürchtung richtig?
Ja. Erbt die behinderte Schwester nach gesetzlichem Erbrecht 50% der ERbmasse, also 50% des Hauses, so ist ein Rückgriff der Sozialleistungsträger auf das Vermögen der behinderten Schwester zur Deckung der staatlichen Ausgaben für Ihre Schwester möglich und wahrscheinlich.
Eine Enterbung der behinderten SChwester würden zum pflichtteilsanspruch führen, d.h. die Hälfte vom gesetzlichen Erbteil, mithin 1/4. Auch dieses 1/4 würde der Sozialleistungsträger einfordern.
Sollten Sie also, als Miterbin und Miteigentümerin des Hauses, nicht in der Lage sein, 1/2 oder 1/4 auszuzahlen, so müssten Sie das Haus beleihen oder verkaufen. (ähnlich wie bei einer Auseinandersetzungen einer Erbengemeinschaft)
Mit einem sogenannten Behindertentestament, kann Erbvermögen zugewendet werden, ohne dass der Sozialleistungsträger darauf zurückgreifen kann und der Behinderte erhält weiterhin Sozialleistungen vom Staat. Seit einem Urteil des Bundesgerichtshofes aus 2011 wurden die Rechte von Eltern mit Kindern mit Behinderung erheblich gestärkt. Vorher galt ein solche Testamentarische KOnstruktion als sittenwidrig.
Ein klassisches Behindertentestament beinhaltet im Kern eine nichtbefreite Vorerbschaft des behinderten Kindes, nebst Dauertestamentvollstreckung und die Nacherbschaft des nichtbehinderten Kindes, nach dem Ableben des Vorerben.
Da der NICHTbefreite Vorerbe wegen dem Nacherben, auf das Erbe an sich nicht zugreifen kann (und somit auch nicht Sozialleistungsträger), sondern nur Zugriff auf den Ertrag des Erbes hat, z.B. Zinsen, Mieteinnahmen etc., kann der von Ihnen bestimmte Testamentsvollstrecker konkrete Anweisungen im Testment erhalten, wie die Erträge des Erbes zur Verbesserung der Lebensqualität des Menschen mit Behinderung zu verwenden sind. (z.B. geburtstags- und Weihnanchtsgeschenke, Urlaub, spezielle medizinische Versorgung etc.)
Beachten Sie, dass ein zumindest nach aktueller Rechtssprechung rechtssicheres Behindertentestament nicht als Mustertestament funktioniert, sondern auf den jeweiligen Einzelfall abgestimmt werden sollte.
Ich möchte Sie darauf hinweisen, dass dieses Forum eine ausführliche und persönliche Rechtsberatung nicht ersetzen kann, sondern vor allem dafür gedacht ist, eine erste rechtliche Einschätzung zu ermöglichen. Durch Hinzufügen oder Weglassen relevanter Informationen könnte die rechtliche Beurteilung Ihres Anliegens anders ausfallen.
Ich hoffe Ihnen eine erste rechtliche Orientierung gegeben zu haben.
Beste Grüße
Anja Merkel, LL.M.
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