Arbeitsrecht (Vertragsrecht)
Fragestellung
Guten Tag Herr Wöhler,
ich habe nebenberuflich eine kleine metallverarbeitende Werkstatt.
Diese habe ich alleine betrieben.
Am 01.02.2014 habe ich einen Mitarbeiter eingestellt.
Dieser hatte zuvor seine Lehre abgebrochen (abbrechen müssen).
Ich habe ihm die Möglichkeit gegeben, seine Lehre bei mir abzuschließen.
(siehe Berufsausbildungsvertrag)
Unter Punkt "I" habe ich ihm die Möglichkeit eingeräumt, zusätzliche Urlaubstage
zu nehmen. Jedoch mit anteilsmäßigem Lohnabzug.
Ebenso habe ich ihm ein Gleitzeitkonto eingerichtet.
Sinn, Zweck und Auswirkung habe ich mit ihm durchgesprochen, der Berufsausbildungsvertrag
wurde von ihm auch unterschrieben.
Monatlich hat der Auszubildende einen Kontostandausdruck erhalten, hierbei ersichtlich die Arbeitszeit, Urlaubstage und Gleitzeitstunden.
Der Trend bzgl. der Gleitzeitstunden und Urlaubstage verlief nun über die Monate in den negativen Bereich.
Grund waren oft irgendwelche Planungen, die der Auszubildende machte und darum früher den Arbeitsplatz verlassen musste.
Auch Urlaube wurden gerne länger oder zusätzlich geplant.
Für mich war das zu diesem Zeitpunkt in Ordnung, auch habe ich ihm die Ausbildungsvergütung monatlich immer gleich bezahlt, obwohl evtl, zu viele Urlaubstage genommen wurden.
Da im Oktober 2015 für mich ersichtlich war, dass der Auszubildende mich Ende Januar verlässt
(Abschlussprüfung), habe ich ihm dann in der Lohnabrechnung für November, Dezember und Januar Abzüge gemacht, um den "Fehlbetrag" zu kompensieren.
Abzüge habe ich bis zum November 2015 noch nicht veranlasst.
Ende Januar habe ich dann eine Schlussabrechnung gemacht.
In dieser habe ich ausführlich erklärt und berechnet, wie die restliche Forderung von mir noch zustande kommt.
Es waren 133 Minusstunden und 46 Tage zuviel genommenen Urlaub.
Abzüglich der reduzierten Ausbildungsvergütung vom Nov-Jan, hatte ich eine Restforderung von
1037€.
Diesen Betrag konnte ich nicht mehr von der Ausbildungsvergütung abziehen, da ja der Auszubildende meinen Betrieb verlassen hatte.
Darum habe ich ihm diese Forderung auf die Bezahlung dieser 1037€ per Einschreiben mir Rückschein zugesendet.
Behauptet wird jetzt, ich hätte ihn öfters vor Beendigung seiner Arbeitszeit von 7 Stunden nachhause geschickt. Schriftlich habe ich dies nie bekommen!
Ich habe jetzt auch ein Einschreiben von ihm erhalten mit einem Widerspruch.
Anbei sende ich Ihnen einen:
Arbeitszeitausdruck, wie ihn der Mitarbeiter regelmäßig erhalten hat
den Ausbildungsvertrag
den Widerspruch des Auszubildenden
nun die Frage:
Habe ich das Recht darauf diesen Betrag zu fordern?
Lohnt es sich dafür vor das Arbeitsgericht zu gehen?
Können mir vor dem Arbeitsgericht Kosten entstehen, gerade wenn ich verlieren würde?
Danke und Gruß
A. H.
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Antwort von Rechtsanwalt Oliver Wöhler
Sehr geehrter Ratsuchender,
gerne komme ich auf die Frage zurück.
Gegen Ihren Arbeitszeitausdruck hätte ich keine Bedenken. Ich kenne Fälle wie Ihren gut aus der Praxis, ich hatte kürzlich einen ähnlichen Fall vor dem Arbeitsgericht.
Es ist immer entscheidend das der AN bei Führung des Arbeitszeitkontos nicht automatisch ins Minus rutscht, wenn er seine Arbeitsleistung erbringt. Natürlich zählen Zeiten der Berufsschule als Arbeitszeit. Sie müssen dem AN immer die Chance geben durch Erbringung der normalen Arbeitszeit sein Gleitzeitkonto auf 0 zu bringen. Wenn es nicht genug Arbeit gibt, ist das immer Betriebsrisiko des AG.
Problem ist das Sie bei einem Lohn von 880 € gar nicht berechtigt gewesen wären Minusstunden mit dem Lohn zu verrechnen, weil dem AN immer das pfändungsfreie Gehalt verbleiben muss. Letztlich ist aber das Ausbildungsverhältnis beendet und eine Rückforderung des AN scheidet aus.
Es kommt also darauf an, wer die Minusstunden zu verantworten hat. Beim Urlaub ist die Rechtslage einfacher, hier hat der AN zu viel erhalten und müsste die Tage zurück erstatten.
Soweit mir die Unterlagen vorliegen könnten Sie den Betrag fordern. Da sich der ehemalige AN weigert müssten Sie die Überzahlung beim Arbeitsgericht einklagen. Vor dem Arbeitsgericht 1. Instanz trägt jede Seite Ihre Kosten selbst. Selbst wenn Sie also gewinnen haben Sie Ihre Anwaltskosten selbst zu übernehmen. Wenn Sie verlieren müssen Sie allerdings auch nicht die Kosten des Gegners zahlen.
Für eine Klage wären das mit Wahrnehmung des Termins vor Gericht rund 365 €.
Ob beim Ex AN etwas zu holen ist, kann ich nicht beurteilen.
Wenn Sie in dieser Sache anwaltliche Hilfe brauchen, stehe ich gerne zur Verfügung.
Mit freundlichen Grüßen
Oliver Wöhler, Rechtsanwalt und Fachanwalt für Arbeits- und Familienrecht
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