Anspruch auf Entschädigung?
Fragestellung
"Meine Bekannte war am 12. September 2015 bei einer Sozialberatung. Dort schilderte sie folgende Umstände.
"Mein Mann hat als Kassierer in einem Supermarkt gearbeitet. Am 10. März 2015 ist er während seiner Arbeitszeit von dem - ihm damals unbekannten - Heribert F. mit einer ungeladenen, jedoch wie eine echte Schusswaffe aussehenden Schreckschusspistole bedroht worden. Heribert F. hatt dabei die Waffe an den Kopf meines Mannes angesetzt, so dass dieser sie unmittelbar spüren konnte. Dann hatt er meinen Mann aufgefordert, Bargeld in die mitgebrachte Stofftasche zu packen und ihm zu übergeben. Mein Mann und auch seine in der Nähe stehenden Kollegen waren von der Echtheit der ihnen vorgehaltenen vermeintlichen Schusswaffe ausgegangen und fürchteten um ihr Leben. Nach der Tat war mein Mann zwei Wochen arbeitsunfähig krank gewesen und psychologisch behandelt worden. Heribert F. wurde vom Landgericht Freiburg wegen schwerer räuberischer Erpressung nach §§ 253, 255, 250 Abs. 1 Nr. 1b Strafgesetzbuch (StGB) rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe von drei Jahren und sechs Monaten verurteilt.
Noch während der Arbeitsunfähigkeit meines Mannes habe ich beim Landratsamt BreisgauHochschwarzwald auf Bitten meines Mannes einen Antrag auf Entschädigung gestellt. Nach ärztlicher Auskunft habe der Grad der Schädigung wegen einer posttraumatischen Belastungsstörung 30 betragen. Ich habe deswegen eine entsprechende Rente beantragt.
Am 28. Juli 2015 ist mein Mann bei einem Verkehrsunfall zu Tode gekommen. Mit Bescheid vom 18. August hatt das Landratsamt Breisgau-Hochschwarzwald den Antrag auf Entschädigung zurückgewiesen. Zur Begründung führt das Landratsamt aus, dass der Antrag unzulässig sei, weil der Betroffene den Antrag selbst hätte stellen müssen. Darüber hinaus bestehe auch kein Entschädigungsanspruch, da mein Mann nicht Opfer eines vorsätzlichen, rechtswidrigen tätlichen Angriffs geworden sei. Und im Übrigen könne es nach dem Unfalltod ihres Mannes ohnehin keine Entschädigung mehr geben."
Leider verlief die Hilfe ins Leere. Daher bitte ich Sie mir bei der Durchsetzung der Ansprüche behilflich zu sein und mir von rechtlicher Seite aus § bzw. Rechtsprechungen zu nennen auf die ich mich bei einem möglichen Widerspruch oder Schreiben beziehen kann.
Vielen Dank und mit besten Wünschen und Grüßen.
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Antwort von Rechtsanwalt und Mediator Christian Joachim
Sehr geehrte Fragestellerin,
zunächst ist es richtig, dass der Antrag durch den Anspruchsteller selbst hätte gestellt werden müssen. Allerdings hätten sie hier in Vertretung ihres Mannes handeln können. Sie müssten daher eine entsprechende Vertretungsmacht vorweisen und zumindest dies im Widerspruchsverfahren vorbringen.
Darüber hinaus wäre fraglich, in welchem Umfang und unter welcher Rechtsgrundlage Sie einen Antrag gestellt haben.
Hier würde zum Beispiel ein Anspruch nach dem Opferentschädigungsgesetz (OEG) infrage kommen. Alternativ könnte man auch eine Rentenleistung wegen Erwerbsunfähigkeit denken, die allerdings aufgrund der kurzen Zeit eher nicht denkbar wäre.
Dabei teile ich die Auffassung des Amtes zunächst nicht, dass hier kein rechtswidriger Angriff stattgefunden hat, da ja auch eine Verurteilung vorgelegen hat und dieser Angriff sich auch gegen ihren Mann gerichtet hat. Darüber hinaus gab es ja auch eine Folgeerkrankung. Schließlich ist auch der spätere Tod kein Grund, mögliche Entschädigungsleistungen abzulehnen, da zumindest Schäden möglicherweise in dem Zeitraum zwischen Tat und Tod ihres Mannes hätten entstehen können.
Problematisch könnte allerdings sein, dass der Bescheid mittlerweile rechtskräftig ist, wenn sie gegen den Bescheid aus dem August 2015 nicht innerhalb eines Monats nach Zugang Widerspruch eingelegt haben. Dann wäre entweder ein neuer Antrag notwendig, was aufgrund ihres des Todes ihres Mannes wohl nicht mehr möglich wäre. Man könnte dann nachdenken, ob Ansprüche der Hinterbliebenen noch bestehen oder erbrechtliche Ansprüche, so dass sie dann gegebenenfalls erneut selbst einen Antrag stellen müssten.
Nach § 1 Abs. 8 OEG können Sie als Hinterbliebene einen Antrag zu stellen. Allerdings ist in den meisten Fällen dieser Hinterbliebenenstatus auch auf die im Rahmen der Opferstellung des Betroffenen erlittenen Schäden bezogen.
Daneben könnten Schadensersatzansprüche gegen den Täter bestehen, die Sie noch geltend machen können. Hier besteht eine dreijährige Verjährungsfrist. Die Frist beginnt mit Ende des Jahres zu laufen, in dem der Schaden entstanden ist und Sie von diesem Kenntnis erhalten haben.
Ich hoffe, dass ich Ihnen einen ersten kurzen Überblick geben könnte und stehe Ihnen bei weiterem Nachfragebedarf gerne zur Verfügung.
Viele Grüße
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Es wurde Widerspruch eingelegt.
Hat Sie Anspruch auf die Entschädigung nach § 30 BVG? Der Arbeitsausfall wegen der Erkrankung (posttraumatische Belastungsstörung Grad 30) ihres Mannes waren nur 2 Wochen.
Vielen Dank und mit besten Wünschen und Grüßen
Der Umfang der Versorgung ist in § 9 BVG geregelt:
(1) Die Versorgung umfaßt
1.
Heilbehandlung, Versehrtenleibesübungen und Krankenbehandlung (§§ 10 bis 24a),
2.
Leistungen der Kriegsopferfürsorge (§§ 25 bis 27j),
3.
Beschädigtenrente (§§ 29 bis 34) und Pflegezulage (§ 35),
4.
Bestattungsgeld (§ 36) und Sterbegeld (§ 37),
5.
Hinterbliebenenrente (§§ 38 bis 52),
6.
Bestattungsgeld beim Tod von Hinterbliebenen (§ 53).
(2) Auf Antrag werden folgende Leistungen nach diesem Gesetz durch ein Persönliches Budget nach § 17 Absatz 2 bis 4 des Neunten Buches Sozialgesetzbuch in Verbindung mit der Budgetverordnung erbracht:
1.
Leistungen der Heil- und Krankenbehandlung,
2.
Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben nach den §§ 26 und 26a,
3.
Leistungen zur Teilhabe nach § 27d Absatz 1 Nummer 3,
4.
Leistungen der Hilfe zur Pflege nach § 26c einschließlich der Hilfe zur Weiterführung des Haushalts nach § 26d und
5.
die Pflegezulage nach § 35.
Hier würde also nur möglicherweise ein Budget nach Abs. 2 infrage kommen, wenn sämtliche anderen Voraussetzungen erfüllt wären, insbesondere ein Verweis auf das BVG durch das Opferentschädigungsgesetz, da das BVG grundsätzlich nur bei militärischen Dienstverrichtungen zugrundezulegen ist (§ 1 BVG)
Insofern müssten die Voraussetzungen nach § 1 Opferentschädigungsgesetz vorliegen.